Achtelfinale – Deutschland ist dabei! Schon mit dem zweiten Turnierspiel macht der EM-Gastgeber den Einzug in die K.o.-Runde klar. Nur ist das 2:0 (1:0) gegen Ungarn von einer Gala wie zum Start mit dem 5:1 gegen Schottland ein ganzes Stück entfernt. Tore von Jamal Musiala und Kapitän İlkay Gündoğan lassen den Traum vom Sommermärchen 2.0 trotzdem leben und machen Appetit auf mehr.
Es geht von überlegen bis vogelwild, von strukturiert vor dem gegnerischen bis kreuzgefährlich vor dem eigenen Tor. Alles ist dabei in einer Partie, die keinen Anlauf braucht, in der beide Teams von der ersten Sekunde an auf Betriebstemperatur sind. Von Abtasten ist keine Spur. Hier nicht und da auch nicht. Das bekommt Manuel Neuer bereits nach wenigen Sekunden zu spüren. Zwar hat Deutschland Anstoß, will gleich in die ungarische Hälfte. Weil aber İlkay Gündoğan schon im Mittelkreis den Ball verliert, ist es beim Blitz-Konter nahe am Rückstand. Ein Glück, dass Neuer mit seinem rechten Fuß vor Roland Sallai am Ball ist. Der Rekord für das schnellste EM-Tor, erst am Sonnabend vom Albaner Nedim Bajrami auf 22 Sekunden gedrückt, wäre nur vier Tage später Geschichte gewesen.
Die Schrecksekunde hinterlässt Spuren. Nicht so sehr im Spiel nach vorn, dafür umso mehr, wenn die Ungarn ihre Nadelstiche setzen. Wobei klar ist, dass es so leicht wie gegen die Schotten nicht noch einmal werden könnte. Zwar hat Bundestrainer Julian Nagelsmann exakt jene Startelf aufgeboten wie im Eröffnungsspiel, darauf aber sind die Ungarn, bei denen erneut Andras Schäfer vom 1. FC Union im Mittelfeld zum Zuge und Marton Dardai von Hertha BSC neu ins Team kommt, eingestellt.
Trotzdem geht es viel deutlicher Richtung Kasten von Peter Gulacsi, dem ungarischen Keeper von RB Leipzig. Der rettet großartig gegen Kai Havertz (11.), hat Glück, dass Bendeguz Bolla für ihn bei einem Direktschuss von Robert Andrich rettet (12.) und Jamal Musiala einen 20-Meter-Knaller nur ans Außennetz setzt (44.).
Zwischendurch aber leistet sich der Schlussmann im Doppel mit seinem RB-Mitspieler Willi Orban eine Slapstick-Einlage, die nach reichlich Chaos zum 1:0 durch Musiala führt (22.). Während Orban nach Oberkörpereinsatz von Gündogan strauchelt und zu Boden geht, kriegt Gulacsi den Ball nicht zu fassen – Musiala ist der lachende Dritte, wobei zum Slapstick auch gehört, dass der Münchner den auf der Torlinie postierten Attila Fiola auch noch anschießt und die Kugel nur mit Dusel im Netz landet.
Die Sicherheit danach ist trügerisch. Von Leichtigkeit oder von Souveränität ist noch immer nicht viel zu sehen. Während Toni Kroos und der diesmal nicht sonderlich wirkungsvolle Florian Wirtz es häufig mit flachen Pässen durchs Zentrum versuchen, nutzen die Ungarn bei ihren Umschaltaktionen die Räume. Oder Standards. So donnert Dominik Szoboszlai einen Freistoß aus der Distanz fast in den linken oberen Winkel – Neuer muss alles geben, um den Einschlag zu verhindern (26.). Auch kommt Jonathan Tah gerade noch rechtzeitig, um den Ungarn-Kapitän in bester Schussposition zu blocken (29.).
Als der Ball nach einem weiteren Szoboszlai-Freistoß dann doch im deutschen Kasten liegt, ist nicht Kopfballschütze Sallai im Abseits, sondern zuvor Ballverlängerer Orban (45.+2). Ebenso Glück gehabt wie beim Kopfball von Barnabas Varga, der die Kugel nach schlechtem Timing von Jonathan Tah aus kurzer Entfernung knapp über den Kasten setzt (60.).
Das ist es aber vorerst auch an Zittereinlagen, denn das 2:0 durch Gündoğan – der Kapitän wird von Maximilian Mittelstädt mit überlegtem Zuspiel in Position gebracht – beseitigt die Zweifel am Sieg (67.). Ein wenig sorgt dennoch Ungarns Angriffsbrocken Martin Adam, für die Schlussviertelstunde gekommen, mit seinen 1,91 Metern und gut 90 Kilo für Unruhe. Weil jedoch Joker Emre Can ihm die Kugel quasi vom Schädel köpft (83.) und Kimmich gegen ihn artistisch auf der Linie klärt (89.), steht am Ende hinten die Null.
Zwei Spiele, zwei Siege – so kann die EM für den Gastgeber weitergehen.
