Im KURIER-Interview

Senay Gueler über Depressionen und Alkohol: „Wie schön es ist, clean zu sein!“

Die harte Schale trügt: Mit unserer Autorin spricht DJ und Schauspieler Senay Gueler auf einem Event in Berlin offen über Depressionen und sein Alkoholproblem.

Author - Julia Nothacker
Teilen
Senay Gueler kämpft nach wie vor mit seinen inneren Dämonen.
Senay Gueler kämpft nach wie vor mit seinen inneren Dämonen.Pop-Eye/Imago

Er ist einer der angesagtesten DJs der Hauptstadt, spielte bei „Fucking Berlin“ und „4 Blocks“ mit und gilt heute als Urberliner, obwohl er es nicht ist: Senay Gueler. 2020 landete der 47-jährige Musiker mit türkischen Wurzeln eher aus Versehen bei „Promi Big Brother“. Die Show verließ er freiwillig, nachdem er sich aus Spaß einen fragwürdigen Amoklauf-Spruch erlaubte und die anderen Promis Angst vor ihm bekommen hatten. Anschließend rutschte Gueler in eine Alkohol- und Drogensucht, versuchte eine Therapie in einer Klinik, die ihm aber nicht half.

Heute sieht man Gueler immer öfter auch auf Events mit prominenten Gästen auflegen, wie auf der Weihnachtsparty des Event-Portals AEDT im Hotel Amano East Side. Wie es ihm zurzeit geht und wie er seine eigenen inneren Dämonen durch einen weiteren Klinikaufenthalt bekämpfte, erzählt Senay Gueler im Interview mit dem Berliner KURIER.

Senay Gueler ließ sich in einer Klinik bekandeln

Berliner KURIER: Senay, du hast ein paar schwierige Jahre hinter dir. Wie geht es dir gerade?

Senay Gueler: Ich bin kein Mensch, der sich gerne beschwert. Aber auch bei mir ist es nicht immer einfach. Die Corona-Zeit hat ihre Spuren hinterlassen, auch in der Psyche. Ich habe Tage, wo es mir nicht so gut geht, aber ich bin jemand, der sich dann relativ schnell Hilfe sucht. Ich bin sehr selbstreflektiert, ich kann meine Fehler einsehen und merke, wenn ich ein Problem habe. Deswegen war ich im vergangenen Jahr in der Klinik und habe auch heute immer noch therapeutische Betreuung. Das hilft mir sehr.

In der Klinik wegen mentaler Probleme?

Depressionen, Verlustängste, vor allem wegen meiner Kinder, aber auch wenn die Jobs ausbleiben, wenn man mit sich selbst unzufrieden ist. Es gibt ja Tausende Gründe dafür. Zweifel hat jeder, aber wenn man die positiven Dinge nicht mehr sieht und es sich in eine krankhafte Richtung entwickelt, wird es zum Problem.

Hat dir die Klinik geholfen?

Die Klinik hat mir sehr geholfen. Ich kann das nur jedem empfehlen. Sich nicht schämen, nicht Angst davor haben, was die Leute über einen denken. Es ist wichtig, dass man gesund wird und sich Hilfe sucht. Erst dann kann man für sein Umfeld und für seine Familie da sein. Ansonsten rennt man auf diesen Punkt zu, an dem man nicht mehr kann. Wenn man dann zusammenbricht, ist niemandem damit geholfen.

Wie steht es um deinen Alkoholkonsum?

Was das angeht, bin ich komplett davon weg. Ganz selten trinke ich mal was, aber definitiv nicht mehr so, wie es früher war, dieses krankhafte Trinken. Ich bin aber trotzdem noch nicht glücklich damit. Privat trinke ich zwar so gut wie gar nichts, aber auf Veranstaltungen schon. Ich habe mir jetzt vorgenommen, damit wieder ganz aufzuhören.

Weil?

Weil ich keine Lust mehr darauf habe. Ich habe jetzt erst – nach langen Jahren als Kiffer, Alkoholtrinker und allem, was hinter mir liegt – wieder gemerkt, wie schön es ist, clean, nüchtern zu sein. Diese Abende mitzunehmen. Du bist bis zum Ende voll da, du siehst, wie die Leute sind, du bist in deinem Job viel besser, in der Familie, du bist am nächsten Tag nicht verkatert. Dann kommen diese Selbstzweifel dazu. Jeden Abend, wenn man trinkt, fängt man wieder an, sich zu sagen: „Das war das letzte Mal. Nie wieder trinke ich!“ Ich wollte da endlich raus. Ich habe so viel gefeiert, das reicht für drei Leben. Deshalb tut mir das auch nicht weh.

Aber leicht ist es dennoch nicht.

Es gibt Tage, da spielt das überhaupt keine Rolle und über Monate hinweg ist alles gut, und dann gibt es Tage, da reichen schon kleine Triggerpunkte, dann wird es schwierig. Genau das sind die Momente, in denen man aufpassen muss. Wenn man sich zu lange zu sicher ist, kommt ein kleiner, unbedeutender Moment und man rutscht schnell wieder rein.

Ist es in einer Stadt wie Berlin besonders schwierig, clean zu sein?

Das spielt keine Rolle. Auf dem Land wird sogar viel mehr getrunken als in der Großstadt.

Senay Gueler legt oft als DJ auf.
Senay Gueler legt oft als DJ auf.Star-Media/Imago

Nach „Promi Big Brother“: Nie wieder Trash-TV

Was bedeutet dir Berlin?

Ich liebe Berlin. Mein Herz schlägt für Berlin, das weiß auch jeder, ich habe mehrere Berlin-Tattoos. Ich bin damals nach Berlin gekommen, weil ich mich in die Stadt verliebt habe. Berlin hat mich mit offenen Armen aufgenommen. Man hat eine Heimat, in der man geboren wurde, an der kann man nichts ändern, und man sucht sich eine Heimat aus, in der man leben will. Am Anfang war das für mich vielleicht ein kleiner Kampf, aber mittlerweile werde ich als Berliner Original wahrgenommen. Das ist ein schönes Gefühl, wenn du was zurückbekommst. Ich versuche immer, Berlin etwas zu geben. Egal wo ich bin, ich bin immer der Mann aus Berlin. Klar haben wir hier Probleme, Berlin ist nicht perfekt. Aber für mich ist Berlin in Deutschland eine der schönsten und coolsten Städte überhaupt, weil wir so kreativ, so offen, trotzdem auch spießig sind. Wir haben hier nicht nur eins, wir haben alles.

Du bist überwiegend als DJ tätig, bist aber auch ab und zu im TV zu sehen. Wonach suchst du dir deine Jobs aus?

Ich bin DJ, seit ich 14 bin. Damit bin ich auch eigentlich bekannt geworden. Der Rest ist mir passiert. Das Modeln kam dadurch, dass ich angefragt wurde, ob ich nicht in einer Agentur sein möchte. Durch die Modelfotos kamen die ersten Werbeanfragen, dann Werbefilme und schließlich Filme. Das Schöne ist, ich habe diesen Druck nicht, das machen zu müssen und permanent mein Gesicht in die Kamera halten zu müssen, um berühmt zu sein. Ich suche mir die Sachen aus, die ich mache. Deswegen findet man mich auch in keiner Trash-TV-Show.

2020 hast du mit „Promi Big Brother“ eine Ausnahme gemacht.

Ein Ausrutscher! Das war für mich definitiv eine Erfahrung, die ich nie wieder machen muss. Ich habe vorher gesagt, ich mache kein Trash, und das sage ich auch heute wieder. Ich habe es damals während der Corona-Krise wegen des Geldes gemacht. Natürlich hat es mich auch ein bisschen gereizt. Ich dachte, ich weiß, worauf ich mich da einlasse.  Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Das ist kein Metier, das sind keine Menschen, mit denen ich mich sonst umgeben möchte. Wenn ich auf Events auflege, sind diese Leute auch teilweise zu Gast. Das ist nicht schlimm, privat sind die ganz anders, als wenn die Kamera läuft und es um 100.000 Euro geht. Privat könnte ich meine Zeit aber nicht mit denen verbringen.

Hast du die Show unterschätzt?

Ich habe es unterschätzt, wie mies Menschen werden können, wenn sie unter Druck geraten, wenn sie keinen Tabak haben, wenn sie zu wenig Schlaf haben, hungrig sind oder wenn sie das Geld wollen. Es gibt tatsächlich Menschen, denen ist dann alles egal. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand, wenn er vor mir steht, mir in die Augen guckt und mit mir redet, etwas erzählt, am nächsten Tag eine solche Scheiße abzieht. Dann kam auch noch die Produktion dazu. Natürlich wollen die Menschen so was sehen, und die Produktion gibt den Menschen das, was sie wollen. Das war mir auch vorher bewusst. Aber wie weit das Ganze gehen würde, nicht. Für mich war die rote Linie dann überschritten, als Deutschland darüber diskutiert hat, ob ich jemandem was tun könnte, ob ich jemanden absteche. Das ging mir zu weit. Ich wurde für vieles angefragt, aber ich brauche diese Formate nicht. Ich bin keiner, der für Geld alles macht. ■