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Kilian Kerner: Glamour trifft auf Grauen der DDR – Protest bei Fashionshow

„Aufarbeitung, jetzt!“, fordert Kilian Kerner mit einer emotionalen Fashionshow für die verschwundenen Kinder der DDR und die Angehörigen.

Author - Julia Nothacker
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Bei der Fashionshow von Kilian Kerner gingen die Models (rechts GNTM-Gewinner Moritz) zusammen mit den Angehörigen der verschwundenen DDR-Kindern über den Laufsteg.
Bei der Fashionshow von Kilian Kerner gingen die Models (rechts GNTM-Gewinner Moritz) zusammen mit den Angehörigen der verschwundenen DDR-Kindern über den Laufsteg.N. Kubelka/Future Image/Imago

„Wo ist mein Kind? Wo ist mein Bruder? Wo ist meine Tante?“ Das sind Fragen, die unter die Haut gehen, und die jetzt zum Mittelpunkt von Kilian Kerners Fashionshow auf der Berliner Fashion Week wurden. Der Titel seiner Show: „DDR. Die gestohlenen Kinder“. Schon Wochen zuvor verriet Kilian dem Berliner KURIER, dass sich die Zuschauer bei der Show nicht wohlfühlen werden, genau das war sein Plan – und dieser ging auf.

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Während die Gäste, darunter auch Prominente wie Simone Thomalla und Florence Kasumba, die Plätze in der Uber Arena einnehmen, herrscht bereits gedrückte Stimmung. Das Licht ist gedimmt, nur die hellen Lichtkegel, die auf die Models gerichtet sind, geben einen Einblick auf die dezente Kulisse. Innerhalb der 30 Minuten Show steigert sich die Musik, zu Anfang wirkt sie verspielt, dann dramatisch und schließlich gruselig. Zwischendurch folgt lautes Babygeschrei, das den Eindruck, man befinde sich in einem Horror-Film, verstärkt.

Ja, Kilian hat bei dieser Show nichts dem Zufall überlassen. Man merkt dem Designer seine Schauspielvergangenheit deutlich an, die Fashionshow wirkt vielmehr wie eine Art Performance.

Monate lang hat sich Kilian tief in die Geschichte der gestohlenen DDR-Kinder begeben und sich natürlich auch intensiv mit der Mode in den 80er Jahren beschäftigt. Wer aber jetzt denkt, die schwere Thematik spiegle sich auch in der Kollektion wieder, der irrt. Kilian scheut sich nicht vor Glitzer und Glamour trotz dramatischer Botschaft. „Glitzer und Glamour gehört zu mir und ich dachte auch zuerst, ich muss das weglassen. Aber es gab so glamouröse Abendmode in der DDR, das glaubt man gar nicht“, sagt er dem KURIER kurz nach der Show.

Kilian Kerner mit seinen Models Pierre und Daniela im Interview mit dem Berliner KURIER.
Kilian Kerner mit seinen Models Pierre und Daniela im Interview mit dem Berliner KURIER.Berliner KURIER

Kilian Kerner rückt die verschwundenen Kinder in den Mittelpunkt

Es ist vor allem der Kontrast zwischen glamouröser Mode und dem Grauen in der DDR, der die Zuschauer beinahe verstört zurücklässt. Der Applaus ist deswegen auch verhalten – nicht deswegen, weil die Zuschauer nicht begeistert, sondern noch immer tief betroffen und mitgenommen sind. Ein beklemmender und für eine Fashion Show fast schon befremdlicher Moment. „Es war das erste Mal in 21 Jahren, dass ich bei einer Show das Gefühl hatte, ich kann da nicht rausgehen. Das hat sich komplett falsch angefühlt“, verrät Kilian.

GNTM-Gewinnerin Daniela trug auf dem Catwalk eine Babypuppe im Arm.
GNTM-Gewinnerin Daniela trug auf dem Catwalk eine Babypuppe im Arm.N. Kubelka/Future Image/Imago

Den Schlussapplaus teilt sich der Designer nicht nur mit den Models, sondern auch mit den Angehörigen der verschwundenen Kinder. Ihnen gibt Kilian endlich eine Stimme. Sie tragen Plakate, mit denen sie nach Aufklärung der damaligen Fälle verlangen. Im Hintergrund läuft ein Video, in dem immer wieder der gleiche Satz fällt: „Sagt mir, wo mein Kind ist!“