Umstrittenes Kinderlied

„Aramsamsam“: So profitiert Helene Fischer von Shitstorm-PR

Medien erfinden eine Verbotsdebatte zu einem Kinderlied, Fans regen sich über vermeintliche Cancel Culture auf – und ein sehr spezielles Album von Helene Fischer bekommt maximale Aufmerksamkeit.

Author - Joane Studnik
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Schlagerstar Helene Fischer ist auf dem Cover ihres neuen Albums „Helene Fischer – Die schönsten Kinderlieder“ zu sehen.
Schlagerstar Helene Fischer ist auf dem Cover ihres neuen Albums „Helene Fischer – Die schönsten Kinderlieder“ zu sehen.dpa/Universal Music

Deutschlands bekannteste Schlagersängerin Helene Fischer veröffentlicht ein Album mit Kinderliedern – und so wie es aussieht, könnte das Sammelsurium aus uralten und neueren Songs die Charts stürmen. Ein Phänomen, wie schafft der Schlager-Star das? Die Top-10 werden derzeit von Hiphop-Acts wie SDP und UFO361, Klassikern wie Abba und Tears for Fears beherrscht.

Wie gelingt es der Sängerin von Mitklatsch-Klassikern wie „Atemlos durch die Nacht“ einen Chart-Hit ausgerechnet mit Kinderliedern, die doch tagein, tagaus in Kinderstuben, Kitas und Grundschulen gesungen werden, bereits dutzendfach aufgenommen wurden? Uralt-Klassiker wie „Alle meine Entchen“ (Volkslied aus dem 18. Jahrhundert) oder „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“ (erstmals 1808 in „Des Knaben Wunderhorn“ veröffentlicht), das von Heinz Rühmann gesungene„ La-Le-Lu“ oder „Biene Maja“: Mit solchen Liedchen alleine könnte sich ein so spezielles Helene-Fischer-Album vielleicht passabel verkaufen – aber wer außer Eltern mit kleinen Kindern sollte sich dafür interessieren?

„Aramsamsam“: Vor Helene Fischers Version gab es bereits eine Rap-Version in den Charts

Kinderlieder aufzunehmen „sei schon viele Jahre mein großer Wunsch“ gewesen, sagte Fischer ihrer Plattenfirma Universal. „Ich als Mutter habe mich da einfach sehr hineinfallen lassen können.“ Mit ihrem Lebensgefährten Thomas Seitel hat Helene Fischer eine gemeinsame junge Tochter. So sehr ihre Fans Ihr das Kinderglück gönnen: Das alleine würde die wenigsten veranlassen, das am Freitag veröffentlichte Album „Die schönsten Kinderlieder“ zu kaufen oder in Dauerschleife zu streamen.

Doch genau das passiert gerade mutmaßlich, und zwar wegen eines auf dem Album enthaltenen Liedes, das in den letzten Jahren weitestgehend in Vergessenheit geraten ist. Es handelt sich um die eingedeutschte Version eines ursprünglich marokkanischen Kinderliedes „Aramsamsam“. Pop-Nerds könnten sich daran erinnern, dass der Hamburger Rapper Salim Montari 2022 zusammen mit The Ironix eine Hiphop-Version des Songs veröffentlichte, die immerhin Platz 70 der Charts erreichte.  

Um die Zeit herum war auch sehr vereinzelt Kritik zu lesen, die sich aber nicht auf den Rap-Song und nicht einmal konkret auf an dieses harmlose Kinderlied bezog: 2021 wies der Musikethologe Dr. Nepomuk Riva in einem Interview mit dem Klett-Verlag darauf hin, dass manche Kinderlieder wie „Die Affen rasen durch den Wald“ oder „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ rassistische Klischees beinhalten - empfahl damals, problematische Liedzeilen umzutexten oder im Zweifel in Schulen oder Kitas nicht mehr zu singen.

„Aramsamsam“: Helene Fischer profitiert von künstlich erzeugtem Shitstorm

Das Lied „Aramsamsam“ wird dabei von Riva nicht einmal erwähnt – wohl aber von anderen Pädagogen in Fachartikeln oder Interviews. Kritisiert wird aber weniger das lautmalerische Lied, sondern vor allem den Brauch, das Lied oft mit unzeitgemäß-klischeehaften Gesten aufzuführen, die an ausgedachte islamische Gebete erinnern. Von der Diskussion hat außer interessierten Kreisen niemand Kenntnis genommen.

Dennoch erwecken einige Medien vor allem des des Ippen-Verlags (Merkur, Kreiszeitung) den Eindruck, als hätte würde Riva mit seinem Jahre alten Interview auf die aktuelle Lied-Veröffentlichung reagieren. In den Kommentarspalten der sozialen Medien wurden schnell die üblichen Vorwürfe gegen die vermeintliche „Sprachpolizei“ oder „Cancel Culture“ laut. Auf den künstlich erzeugten Shitstorm reagierten wiederum andere Medien wie t-online, behaupten, es hagle Kritik an Helene Fischer – die dadurch als Opfer dasteht, obwohl sie sich überhaupt nicht zum Thema geäußert hat.

Ob die Einfügung des gelegentlich kritisierten Liedes Absicht war oder die Aufregung ein reines Medienphänomen ist: Die Mission ist geglückt, maximale Aufmerksamkeit für ein sehr spezielles Album von Helene Fischer zu schaffen, das ohne „Aramsamsam“ deutlich weniger Beachtung gefunden hätte. ■