Er war „Der Pate“

Herzlichen Glückwunsch, du Clown! Al Pacino wird 85

Er war Mafia-Boss, Teufel und Drogendealer, doch seine Wunschrolle war eine ganz andere. Vielleicht bekommt er sie zu seinem heutigen Geburtstag.

Author - Jana Hollstein
Teilen
Al Pacino bei einer Pressekonferenz für die Amazon-Serie „Hunters“.
Al Pacino bei einer Pressekonferenz für die Amazon-Serie „Hunters“.ZUMA Press Wire/imago

Überlebensgroß – die Beschreibung wird bei Stars gerne in den Raum geworfen, doch auf wenige passt sie so gut wie auf Hollywood-Legende Al Pacino. Wenn sich die Kamera auf ihn richtet, füllt er den ganzen Bildschirm aus und straft damit seiner Körpergröße von 1,68 Metern Lügen. Wenn er spricht – taff und unerbittlich amerikanisch – kann man nicht umhin, zuzuhören. Leise kann er genauso gut wie laut, doch seien wir ehrlich: Am liebsten haben wir ihn laut.

Al Pacinos Durchbruch kam mit „Der Pate“

Wer an Al Pacino denkt, der denkt meistens zuerst an seine Rolle als Michael Corleone, Sohn des Clanchefs in „Der Pate“. Die Rolle war 1972 sein Durchbruch als Schauspieler – viel zu schnell, wie er selbst später meint. „Ich hatte Probleme mit der ganzen Aufmerksamkeit,“ gesteht er 2014 dem New Yorker, „ich war auf jeden Fall ein Trinker in den Siebzigern und, tut mir leid, aber ich erinnere mich an nicht allzu viel aus den Siebzigern“.

Doch die Verzweiflung steht ihm so gut. Sein an ein weinerliches Schauspiel in Sidney Lumets „Hundstagen“ fand ebenso wie Michael Corleone Einfluss in den kulturellen Kanon, ebenso wie später sein Macho-Gehabe als Tony Montana in „Scarface“. Al Pacino schauspielert so wie man sich Hals über Kopf in kaltes Wasser stürzt. Seine großen Gesten, seelenvollen Augen und donnernde Stimme sprechen etwas Ursprüngliches in einem an, das es einem gebietet, sich vollkommen auf ihn einzulassen.

Das kommt wohl auch nicht zuletzt daher, dass er einer der wenigen US-amerikanischen Schauspieler ist, die gerne und immer wieder auf die Theaterbühne zurückkehren. Auf die Leinwand bringt er dadurch eine Präsenz und eine Ernsthaftigkeit, die wie ein Gegengift wirken in einer Film-Landschaft, die von Zynismus und Ironie zersetzt ist. Sagt Pacino: „Manchmal treibt man es ein bisschen zu weit, aber das gehört alles zur Vision. Ich sage: Folge dem Leuchten. Wenn man versucht, etwas mit Appetit und Leidenschaft zu produzieren, und nicht nur, um den goldenen Kelch zu kriegen, dann ist es keine Verschwendung“.

Als Michael Corleone in „Der Pate“ gelang ihm der Durchbruch.
Als Michael Corleone in „Der Pate“ gelang ihm der Durchbruch.Everett Collection/imago

Als Schauspieler kannte Al Pacino keine Furcht

Wohl diese unverblümte Hingabe an die Kunst ist es auch, wegen der so etwas Schnödes wie „Zielgruppen“ sich in Bezug auf Al Pacino in Bedeutungslosigkeit auflöst. Hatten viele Männer ein Poster von Tony Montana an der Wand, gerieten die Frauen ins Schwärmen, wenn er sich als Johnny in „Frankie & Johnny“ Michelle Pfeiffer zu Füßen warf. Den meisten seiner Filme können beide etwas ab haben. Denn Al Pacino schüchtert vielleicht mal seine Gegenspieler auf der Leinwand ein, niemals aber den Zuschauer.

Pacino selbst hat in Bezug auf sein Publikum keine Eitelkeiten, muss sich selbst nicht als „echter“ Mann behaupten. Selbst in den Siebzigern und Achtzigern hatte er keine Probleme damit, nicht nur einmal, nicht zweimal, sondern gleich dreimal Rollen in Filmen anzunehmen, die das Leben abseits vom heterosexuellen Mainstream thematisierten.

In „Hundstage“ war er der bisexuelle Gangster, der Geld für die Geschlechtsumwandlung seines Freundes stehlen will. In „... und Gerechtigkeit für Alle“ setzte er sich als Anwalt für eine trans* Frau ein und in „Cruising“ stieg er in die schwule BDSM-Szene ab, auf der Suche nach einem Serienmörder. „Cruising“ stieß damals auf große Kritik vonseiten Homosexueller und läutete eine lange Phase der Erfolglosigkeit in Pacinos Karriere ein – reingucken lohnt sich trotzdem. Jahre später fragte ihn ein Journalist in Bezug auf einen anderen Charakter, ob dieser eine gewisse Bisexualität an sich hatte – Pacino schaute ihn nur genervt an und sagte: „Natürlich!“.

Sonny Wortzik durchlebt in „Hundstage“ den schlimmsten Tag seines Lebens.
Sonny Wortzik durchlebt in „Hundstage“ den schlimmsten Tag seines Lebens.Everett Collection/imago

Pacinos Traumrolle war es immer, Clown zu spielen

Obwohl ihn viele Regisseure gerne als taffen Typen casten, besteht Pacino selbst darauf, dass er lieber Komödien machen würde, eine Genre, das er als seine „erste Liebe“ beschreibt: „Ich habe mich selbst immer als Clown gesehen. Ich liebe den Zirkus, Stummfilm-Komödien. Und was bekomme ich zu spielen? Taffe Punks, Drogendealer, keine Clowns!“

Das Angebot auf eine Clown-Rolle steht zwar noch aus, aber in gewisser Hinsicht und im besten Sinne ist es die Rolle seines Lebens. Nicht umsonst ist die erste Assoziation, die jüngere Filmfans mit ihm haben, weniger seine ikonischen Filmrollen als seine Verkündung des „Bester Film“-Gewinners bei der Oscar-Preisverleihung 2024. Statt des bekannten „And the Oscar goes to...“ sagte er in einem unbeteiligten Tonfall: „My eyes see ‚Oppenheimer‘“ („Meine Augen sehen: ‚Oppenheimer‘“), was den Saal prominenter Gäste in tiefste Verwirrung stürzte. Und als Running Gag in Filmkreisen überlebte.

Seiner Clown-Karriere steht dann inzwischen wohl nur eines im Weg: Dass man seinen trockenen Humor mit Tattrigkeit verwechselt. Schließlich wird selbst Al Pacino nicht jünger. ■