Wohnraum, gerade in Städten, ist extrem knapp. Doch wer besonderes Pech hat, der hat seine Traumwohnung gefunden, kann sich vielleicht sogar vorstellen, hier seinen Lebensabend zu verbringen, und dann das: Der Vermieter kündigt wegen Eigenbedarf. Doch seien Sie jetzt als Mieter nicht voreilig. Anstatt im Geist schon mal die Umzugskartons zu packen, gibt es nämlich durchaus Möglichkeiten, sich zu wehren.
Eigenbedarf anmelden – nicht jeder Vermieter darf deswegen kündigen
Zunächst einmal darf überhaupt nicht jeder Vermieter Eigenbedarf anmelden. So schreibt Rechtsexpertin Dr. Britta Beate Schön bei „Finanztip“, dass zum Beispiel juristische Personen wie Aktiengesellschaften oder GmbHs keine Eigenbedarfskündigungen aussprechen dürfen: „Auch nicht der Geschäftsführer für seine Tochter“. Sehr wohl wegen Eigenbedarf anmelden dürfen hingegen Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) wie eine Erbengemeinschaft oder eben natürliche Personen.
Der zum Eigenbedarfsanspruch berechtigte Vermieter darf rechtmäßig die Kündigung aussprechen, wenn er die Wohnung für sich selbst oder für Familienangehörige benötigt. Dabei muss es sich im letzteren Fall um nahe Verwandte handeln, das heißt: (Stief-) Kinder, Eltern, Enkel, Großeltern, Geschwister, Nichten und Neffen.
Entfernte Angehörige, für die Vermieter keinen Eigenbedarf anmelden können, sind laut Schön: Onkel, Cousins/Cousinen, Großnichten und -neffen, geschiedene Ehepartner, Eltern des Lebenspartners, Kinder des Lebensgefährten und Patenkinder, Schwager (es sei denn, der Vermieter hat einen besonders engen Kontakt zu ihm). Für Personen außerhalb der Familie darf ein Vermieter nur Eigenbedarf anmelden, wenn sie zum Zeitpunkt des Eigenbedarfs Teil seines Haushalts sind.
Das entscheidende Stichwort ist in diesem Fall außerdem: „vernünftige und nachvollziehbare Gründe“. Kann der Vermieter diese nicht vorweisen, ist er nicht im Recht. Wie aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) von 2014 hervorgeht, reicht es dazu auch nicht, einfach in den Räumen wohnen zu wollen.
Vor Gericht werden außerdem die Umstände des Mieters mit einbezogen, zum Beispiel ob der Auszug eine unzumutbare Härte für den Mieter darstellen würde (etwa bei Kranken, Schwangeren und älteren Menschen). Verbraucheranwalt Arndt Kempgens rät gegenüber Bild: „Als Mieter sollte man daher genau prüfen, ob die Eigenbedarfskündigung berechtigt ist. Betroffene sollten der Kündigung unbedingt widersprechen.“

Ohne diese Kriterien ist die Eigenbedarfskündigung unwirksam
Für die Eigenbedarfskündigung gelten außerdem ein paar formale Anforderungen. Sie muss schriftlich, per Brief, erfolgen, und an alle Mieter gerichtet sein, sowie von allen Vermietern unterschrieben werden. Entspricht die Kündigung außerdem nicht den folgenden drei Formalien, ist sie laut Dr. Schön wahrscheinlich unwirksam:
1. Konkrete Angabe, wer einziehen soll
Als Mieter sollte Ihnen in dem Schreiben genau mitgeteilt werden, für wen Ihr Vermieter Eigenbedarf anmeldet: „Es reicht, wenn er schreibt, seine Tochter möchte mit ihrem Freund zusammenziehen. Den Namen des Partners muss er nicht nennen“. Unwirksam ist die Kündigung dann, wenn die Person nicht genau benannt wird, sondern das Schreiben zum Beispiel sagt, dass der Vermieter oder sein Bruder in die Wohnung ziehen wird.
2. Die Gründe für Eigenbedarf müssen nachvollziehbar sein
Warum braucht der Vermieter gerade diese Wohnung? Das muss er nachvollziehbar und vernünftig erklären, vor allem, wenn er oder seine Angehörigen weitere Wohnungen besitzen. Dr. Schön sagt dazu: „Die Begründung ist oft ein Knackpunkt im juristischen Streit. Nicht selten gewinnen die Mieter, weil in der Kündigung nicht genau steht, warum gerade die gekündigte Person ausziehen soll“. Ein berechtigter Grund wäre zum Beispiel, wenn der Vermieter die Wohnung als Altersruhesitz nutzen will, weil sie für einen älteren Menschen besser geeignet ist. Der Vermieter muss den Umzug aber auch ernsthaft verfolgen. Nur die vage Absicht für einen späteren Zeitpunkt reicht nicht.
Noch strenger sind die Maßstäbe, wenn der Vermieter die Räume als Büro nutzen möchte. In dem Fall muss der Vermieter zusätzlich darlegen, welche Nachteile er daraus ziehen würde, wenn er Ihre Wohnung nicht geschäftlich nutzen kann. Ein angemessener Grund wäre zum Beispiel, dass im gleichen Haus seine gebrechliche Mutter wohnt, um die er sich kümmern muss, was er besser machen kann, wenn sein Büro in Ihrer Wohnung ist.
3. Auch bei Eigenbedarf müssen Kündigungsfristen eingehalten werden
Das Kündigungsschreiben muss das Datum des Auszugs klar benennen. Auch Eigenbedarfskündigungen haben dabei die üblichen Kündigungsfristen im Mietrecht zu beachten, das heißt: Bei einer Mietdauer bis zu fünf Jahren gelten drei Monate Kündigungsfrist, danach verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Lebt ein Mieter acht Jahre oder länger in einer Wohnung, beläuft sich die Kündigungsfrist auf neun Monate.
Gerichtlich gegen Eigenbedarf vorgehen: Diese Möglichkeiten haben Sie
Wurde Ihnen wegen Eigenbedarf gekündigt und Sie haben vor dem Hintergrund all dieser Informationen den Eindruck, die Kündigung könnte unwirksam sein, sollten Sie das Ihrem Vermieter mitteilen. Bleibt der Vermieter trotzdem bei der Kündigung, müsste er vor Gericht ziehen. Das wollen auch Vermieter in der Regel vermeiden. Möglich ist dabei auch, dass Sie und Ihr Vermieter sich auf einen Kompromiss einigen. Zum Beispiel könnte Ihr Vermieter Ihnen bei der Wohnungssuche helfen oder sich an den Umzugskosten beteiligen. Sogar eine pauschale Abfindung wäre möglich. So etwas ist für alle Beteiligten häufig angenehmer als der Gang vors Gericht.
Aber auch wenn die Kündigung selbst wirksam ist, haben Sie Handlungsmöglichkeiten. Eine davon ist, dass Sie der Kündigung bis spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses schriftlich widersprechen können, wenn der Auszug eine soziale Härte für Sie bedeuten würde. Das ist besonders der Fall bei kranken, schwangeren oder älteren Menschen.
Dr. Schön nennt ein paar Beispiele, in denen Mietern wegen sozialer Härte Recht gegeben wurde: „Das Landgericht Berlin erklärte zum Beispiel eine Eigenbedarfskündigung wegen sozialer Härte für unwirksam, weil bei einem Auszug des 82-jährigen Mieters Suizidgefahr bestanden hätte. Auch eine 89-jährige Mieterin musste nicht ausziehen, weil ein Auszug eine Verletzung ihrer durch das Grundgesetz geschützten Menschenwürde bedeuten würde“. Gerichte prüfen dabei aber immer im Einzelfall, allgemeine Leitlinien gibt es nicht. Nicht jeder ältere Mieter ist automatisch ein Härtefall.
Eigenbedarf vorgetäuscht? Dann haben Sie Anspruch auf Schadensersatz!
Ein letzter Tipp von Dr. Schön ist noch, die Belege für Ihren Aus- und Umzug einige Jahre lang aufzubewahren, selbst, wenn Sie die Kündigung akzeptieren. Es kann nämlich sein, dass sich im Nachhinein herausstellt, dass die Gründe für die Eigenbedarfskündigung nur vorgetäuscht waren, zum Beispiel wenn der Vermieter, der einziehen wollte, nicht eingezogen ist. In dem Fall haben Sie auch nachträglich noch Anspruch auf Schadensersatz.
Die Höhe des Schadensersatzes wird gemessen mit den Belegen, die Sie aufbewahrt haben. Wenn Sie in eine teurere Mietwohnung gezogen sind, muss Ihr alter Vermieter den Kostenunterschied zwischen dem, was Sie in der alten Wohnung hätten zahlen müssen und dem, was Sie nach dem Auszug bezahlen, erstatten. Auch die Kosten für den Umzug muss er unter Umständen erstatten. ■