NAFO Fellas: Bewegung von Meme-Hunden zerstört die Putin-Propaganda
Ein Internet-Meme ist zu einer wirksamen Waffe gegen russische Desinformation geworden. Mitmachen kann jeder.

Lange galt das Internet als Domäne russischer Propaganda. Doch eine schnell wachsende Graswurzelbewegung tritt seit Monaten gegen die riesige Kreml-Propaganda-Maschine an: die NAFO Fellas. Was als Meme in einem Tweet des Twitternutzers Kama_Kamilia vom 24. Mai begann, hat sich mittlerweile zu einem ernstzunehmenden Gegner für russische Trollfabriken entwickelt. „Die NAFO bietet einen Weg, um mit Kreativität etwas gegen russische Propaganda zu unternehmen“, sagt Benjamin Tallis, Sicherheitsexperte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
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Ukrainischer Verteidigungsminister lobt NAFO-Fellas
Sogar der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow hat die Initiative vergangene Woche gelobt. „Mein persönlicher Gruß an die #NAFOfellas. Ich möchte jeder Person hinter den Shiba Inu Cartoons danken. Ihre Spenden zur Unterstützung unserer Verteidiger, ihr Kampf gegen Fehlinformationen sind wertvoll“, so Resnikow auf der Social-Media-Plattform Twitter.
Er änderte zudem für die darauffolgenden Tage sein Profilbild zu dem eines Shiba-Inu-Hundes mit der Kleidung des Ministers. Die Mitglieder der North Atlantic Fella Organisation (NAFO) lehnen sich dabei ganz bewusst an den Begriff NATO an, also das Militärbündnis North Atlantic Treaty Organisation. Die Fellas nutzen als Profilbilder in den sozialen Medien, besonders im Kurznachrichtendienst Twitter, Bilder der japanischen Hunderasse Shiba Inu.
Was als Satire gegen russische Propaganda auf Twitter begann, hat sich seit dem ersten Tweet vom Mai zu einer Bewegung mit zehntausenden „Kumpels“, wie die deutsche Übersetzung von „Fellas“ lautet, entwickelt. Dabei wirkt die Bewegung wie ein Magnet für viele, die etwas gegen den russischen Angriff auf die Ukraine tun wollen. „In den ersten Tag nach dem russischen Angriff, wusste ich nicht, was ich tun kann, sah aber die Tapferkeit [ukrainischer Soldaten, Anmerkung der Redaktion] am Flugplatz Hostomel. Dann sah ich den Post von Kama Ende Mai und schloss mich einfach an, um zu spenden“, erklärt Twitter-User MattPPea. „Der Humor der Ukrainer hat mich so gefesselt, dass ich mich mehr eingemischt habe“. Dabei hat die NAFO auch persönliche Vorteile: „Ich habe tolle Freunde gefunden durch die NAFO“, so der Fella.
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Fellas kämpfen gegen Desinformation und Propaganda
Mittlerweile posten die NAFO-Mitglieder nicht nur Videos, die sich über oftmals missglückte und einfach zu entlarvende russische Propaganda lustig machen, sondern feiern auch Erfolge der ukrainischen Armee im Kampf gegen die Russen. „Es ist eine Graswurzelbewegung, die demokratische Werte und Ideale gegen Propaganda verteidigt“, sagte Benjamin Tallis. So feiert man dort die Waffenlieferungen westlicher Staaten, in Videos werden Bilder von HIMARS-Raketenwerfern, die von den USA an die Ukraine geliefert wurden, mit dem Lied „Fortunate Son“ von Creedence Clearwater Revival unterlegt. Der Song gilt als eines der bekanntesten US-Lieder aus dem Vietnamkrieg. Die Waffenlieferungen sehen die Fellas als Verteidigung der Ukraine gegen des russischen Angriffskrieg.
Nach dem mutmaßlichen ukrainischen Schlag gegen die russische Luftwaffenbasis Saki, auf der besetzten Halbinsel Krim, wurde zudem ein weiterer Spruch aus russischen Propagandakanälen zum Meme, den die Russen über die wenig wehrhafte Flugverteidigung auf der Krim in zweifelhaften Englisch abgaben: „What airdefense doing?“ (Was macht Flugverteidigung?) wurde unter den NAFO-Kumpels ebenfalls zum geflügelten Wort.
NAFO kämpft gegen AfD-Narrative
Und auch in Deutschland sind NAFO-Mitglieder aktiv und haben beispielsweise bei einer Umfrage des AfD-Politikers Johannes Normann auf Twitter gezielt abgestimmt, um dessen Ergebnis zu beeinflussen. Mit Erfolg, denn 54% waren in der Umfrage danach der Meinung, dass die Gaspipeline Nordstream 2 nicht wieder geöffnet werden solle. Wäre die Umfrage nicht gekapert worden, hätte sich eine deutliche Mehrheit der AfD-Anhänger für eine Wiederinbetriebnahme eingesetzt. AfD-Politiker Normann regte sich infolgedessen darüber auf, dass das Ergebnis der Umfrage nicht seiner Erwartung entsprach - auch das ein Erfolg für die Fellas.
Auch in dieser Woche hat die NAFO bereits ein neues Ziel auserkoren. So verbreiten russische Konten Fotos einer angeblichen ukrainischen Hochzeit. Auf dem Bild recken die Teilnehmer den rechten Arm zum Hitlergruß und halten dabei eine ukrainische Fahne. Jedoch haben Desinformationsspezialisten herausgefunden, dass das Bild grafisch bearbeitet wurde. Das Original zeigt keine ukrainische Flagge, sondern eine russische Fahne aus der Zeit des Zarenreichs. Das Bild wurde zudem nicht in der Ukraine, sondern ausgerechnet in Russland aufgenommen, wie man an einem Denkmal im Hintergrund erkennen kann. Die ukrainischen „Nazis“ sind also russische „Nazis“. Ein gefundenes Fressen für die NAFO-Fellas.
Beistandsverpflichtung gegen russische Trolle
Wie bei der richtigen NATO gibt es auch bei der NAFO eine Beistandsverpflichtung nach Artikel 5. Das bedeutet, dass jeder Fella die anderen zur Hilfe rufen kann, wenn er angegriffen wird oder auf schwere Desinformation stößt. Hierfür nutzen die NAFO-Mitglieder den Hashtag #NAFOarticle5 und erhalten dann Unterstützung anderer Fellas. „Das ist sehr effektiv“, sagt Benjamin Tallis von der DGAP.
Die knuffigen Fellnasen haben also tatsächlich einen ernsten Hintergrund. „Es ist wirklich nützlich und praktisch jeder, der sich mit den Werten identifiziert, kann mitmachen“, sagt Benjamin Tallis. Ein Team von Freiwilligen erstellt Profilbilder für Fellas, die dabei sein wollen. Einzige Voraussetzung: Eine Spende für die Georgian Legion, eine Gruppe von Georgiern, die aufseiten der Ukraine, im Krieg gegen Russland kämpfen. Für den Beitrag gibt es dann ein handgemachtes Meme, was jeder selbst posten kann. Über einen Fanshop können Unterstützer zudem T-Shirts und andere Fanartikel kaufen, deren Erlös der Georgian Legion zugute kommen. Immerhin kamen so schon mehr als 210.000 US-Dollar an Spenden für die ukrainischen Einheiten zusammen.
Wende im Informationskrieg gegen Russland
Die NAFO gewinnt also in vielerlei Hinsicht gegen Russland. Das ist überraschend, denn nach der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland und dem Krieg im ostukrainischen Donbas im Jahr 2014, nahm die russische Propaganda im Internet überhand. Kommentare unter Youtube-Videos und Twitter-Beiträgen lobten die russische Besatzung der Gebiete, preisten Russlands Diktator Wladimir Putin und stellten den russischen Krieg in der Ostukraine als Befreiungskampf dar. Viele der Kommentare waren jedoch in Auftrag gegeben, die Profile meist leer. Die wenigen Follower der Profile, waren oft selbst verdächtig inhaltslos und entsprachen ein und demselben Muster. Dahinter steckten häufig bezahlte Troll-Fabriken aus Russland, deren Machenschaften investigative Journalisten aufdeckten.
Das berühmteste Beispiel dieser Trollfabriken operiert vom russischen St. Petersburg aus und soll dem russischen Milliardär Jewgenij Prigoschin gehören - ein Oligarch der von der internationalen Presse auch gern „Putins Koch“ genannt wird. Doch mit der NAFO könnte sich das Blatt zunächst wenden, denn die russische Propaganda findet kaum ein Mittel gegen so viel Spott und Information. So hat die NAFO auch einzelne Verbreiter russischer Propaganda, wie den russischen UN-Botschafter Michail Uljanow, gezielt angegriffen. Die Fellas hatten den Mann für seine Propaganda-Tweets in schlechtem Englisch hochgenommen. Uljanow antwortete mit „You pronounced this nonsense, not me“ (Sie sprachen diesen Unsinn aus, nicht ich) , was daraufhin zu einem vielbenutzten Zitat unter den Fellas wurde. „Die Aktion hat sogar dazu geführt, dass Uljanow für eine Woche nichts mehr auf Twitter gepostet hat“, so Benjamin Tallis. Wieder ein kleiner Sieg der NAFO gegen Russland.