Fragen nach dem Anschlag

Terror von Solingen: Hätte der Anschlag verhindert werden können?

Was lief schief? Wer trägt die Verantwortung? Warum sind Abschiebungen so schwierig? Kann Deutschland kontrollieren, wer ins Land kommt?

Author - Michael Heun
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"Liebe statt Hass": Ein Meer von Blumen und Kerzen in Solingen.
"Liebe statt Hass": Ein Meer von Blumen und Kerzen in Solingen.Ina Fassbender/AFP

Das tödliche Messerattentat von Solingen hat alte Diskussionen neu entfacht. Bei einem Stadtfest wurden am Freitagabend drei Menschen erstochen, und acht weitere erlitten Verletzungen, vier davon schwer. Der Verdacht richtet sich gegen einen 26-jährigen Syrer, der seit Sonntagabend wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und Mordverdachts in Untersuchungshaft sitzt. Was lief schief, und wer trägt die Verantwortung? Vier Fragen nach dem Anschlag. 

1. Hätte der Anschlag verhindert werden können?

Anschläge im öffentlichen Raum sind schwer gänzlich zu verhindern, besonders wenn es sich um Einzeltäter handelt, die Alltagsgegenstände als Waffen nutzen. Im Fall des mutmaßlichen Täters, einem 26-jährigen Syrer, der Ende 2022 nach Deutschland kam, hätte eine Abschiebung bereits im Sommer 2023 erfolgen sollen. Doch als die Polizei ihn nicht in seiner Unterkunft antraf, wurden keine weiteren Versuche unternommen, ihn nach Bulgarien abzuschieben, wo er zuvor registriert war. Zuständig für solche Abschiebungen sind in erster Linie die Ausländerbehörden vor Ort. Die Sicherheitsbehörden hatten ihn zuvor nicht als islamistischen Extremisten eingestuft.

2. Warum sind Abschiebungen oft so schwierig?

Abschiebungen scheitern aus verschiedenen Gründen: fehlende Papiere, das Nichtauffinden der betroffenen Person am geplanten Termin oder auch mangelnde Haftplätze. Trotz gestiegener Rückführungszahlen im letzten Jahr bleiben viele Abschiebungen unerfüllt. Neue Gesetzesverschärfungen sollen einige dieser Probleme angehen, darunter die Verlängerung der maximalen Dauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage. Auch wurde das Betreten anderer Räume in Gemeinschaftsunterkünften durch Behörden erleichtert. Dennoch fehlen Abschiebehaftplätze, und die Verfahren sind kompliziert und durch viele beteiligte Behörden verzögert. Die Bundespolizei fordert mehr Kompetenzen, um Abschiebungen effizienter durchzuführen.

Der Tatverdächtige wird von Beamten des Sondereinsatzkommandos von Solingen nach Karlsruhe gebracht. Dort wurde er einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt.
Der Tatverdächtige wird von Beamten des Sondereinsatzkommandos von Solingen nach Karlsruhe gebracht. Dort wurde er einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt.Christoph Reichwein/dpa

3. Welche Verschärfungen für Messer werden diskutiert?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) möchte die Klingenlänge von Messern, die in der Öffentlichkeit getragen werden dürfen, von 12 auf 6 Zentimeter reduzieren. Zudem soll es ein generelles Verbot für den Umgang mit gefährlichen Springmessern geben. Allerdings wird bezweifelt, dass solche Maßnahmen Attentäter aufhalten, die einen Angriff gezielt planen. Der Terror-Experte Peter Neumann weist darauf hin, dass Terroristen bei einem Messerverbot möglicherweise auf andere Mittel wie Autos oder Lastwagen ausweichen könnten.

4. Kann Deutschland kontrollieren, wer ins Land kommt?

Die Kontrolle darüber, wer ins Land kommt, ist nur bedingt möglich. Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien, der Schweiz und seit 2015 auch zu Österreich sollen illegale Einreisen eindämmen. Zwar werden Erfolge, wie die Festnahme von Schleusern, vermeldet, doch bleibt die Frage, ob zurückgewiesene Personen nicht später oder an anderen Stellen erneut versuchen einzureisen. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) fordert eine Schließung der Grenzen für irreguläre Migration. Innenministerin Faeser will an den Kontrollen festhalten, bis die Zahl unerlaubter Einreisen deutlich sinkt. Sie kritisiert, dass Deutschland mehr Migranten aufnimmt als andere europäische Länder und fordert eine gerechtere Verteilung in Europa. Die kürzlich verschärften europäischen Asylregeln sollen ebenfalls zu einer Entlastung beitragen, müssen jedoch erst in der Praxis greifen. ■