Tödliche Messerattacke

Solingen: Mehrere Messer, mehrere Verdächtige, mehrere Attentats-Theorien

Ein Angreifer hat mit einem Messer drei Menschen getötet und acht weitere verletzt. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. Der KURIER gibt einen Überblick.

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Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest hängt ein selbstgeschriebenes Beileidsschreiben mit einem Herz und einem Kreuz an einem Baum in der Nähe des Tatorts in der Solinger Innenstadt. 
Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest hängt ein selbstgeschriebenes Beileidsschreiben mit einem Herz und einem Kreuz an einem Baum in der Nähe des Tatorts in der Solinger Innenstadt. Christoph Reichwein/dpa

Schon wieder Solingen. 2024 kommt die 160.000 Einwohner-Stadt aus den Schlagzeilen nicht raus. Im März waren in der Stadt vier Menschen in einer Dachgeschosswohnung  bei einem Feuer gestorben, das ein ehemaliger Mieter gelegt haben soll. Im Juni ließ ein Mann vor einem Geschäft eine Flasche mit einer Substanz fallen lassen, wodurch es zu einer Explosion kam und der Mann tödliche Verletzungen erlitt. Im Raum steht der Verdacht, dass der Fall eine Verbindung zu den Machenschaften der sogenannten niederländischen Mocro-Mafia hat. Und jetzt das Messerattentat auf dem Volksfest.

Der tödliche Anschlag während eines Straßenfests in Solingen hat die nordrhein-westfälische Stadt und auch ganz Deutschland erschüttert. Der Tatverdächtige ist gefasst. Doch manches ist noch immer unklar.

Die Festnahme

Nach eintägiger Großfahndung stellte sich der mutmaßliche Täter selbst. Nach Polizeiangaben gab der 26-Jährige an, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte, die Polizei sei den ganzen Tag einer „heißen Spur“ nachgegangen und die gesuchte Person nun in Gewahrsam. Bei dem Mann handle es sich um jemanden, „den wir im höchsten Maße verdächtigen“, sagte Reul am Samstagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Der Täter soll ein 26-jähriger Syrer sein, der Ende Dezember 2022 nach Deutschland gekommen sei und in Bielefeld einen Antrag auf Asyl gestellt habe. Den Sicherheitsbehörden war er demnach bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt.

IS-Bekennerschreiben

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beansprucht den Messerangriff für sich. Der Angreifer habe dem IS angehört und die Attacke, die einer „Gruppe von Christen“ gegolten habe, aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ verübt, hieß es in einer über das IS-Sprachrohr Amak verbreiteten Mitteilung. Die Polizei Düsseldorf hat nach eigenen Angaben ein Bekennerschreiben der Terrormiliz erhalten. Ob es echt ist, müsse noch geprüft werden. Aus Ermittlerkreisen wurde auch darauf hingewiesen, dass der IS in der Vergangenheit öfter Taten für sich reklamiert habe, ohne dass es für eine wirkliche Zusammenarbeit mit dem Täter belastbare Hinweise gegeben habe.

Weitere Festnahme

Polizisten stehen an einer Absperrung in der Innenstadt von Solingen. 
Polizisten stehen an einer Absperrung in der Innenstadt von Solingen. Christoph Reichwein/dpa

Auch ein 15 Jahre alter Jugendlicher wurde im Zusammenhang mit der Tat festgenommen. Als möglicher Vorwurf gegen ihn steht die Nichtanzeige geplanter Straftaten im Raum. „Nach vorliegenden Zeugenaussagen soll eine bislang unbekannte Person kurz vor dem Angriff mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen haben, die zur Tatausführung passen würden“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers in Wuppertal. In Solingen durchsuchte die Polizei mit großem Aufgebot - darunter ein Spezialeinsatzkommando - eine Flüchtlingsunterkunft. Innenminister Reul sagte, dies sei das Ergebnis von weitergehenden Informationen gewesen. Es gab zunächst keine Informationen zum Ergebnis der Durchsuchung.

Die Tat

Am Freitagabend um 21.37 Uhr gingen nach Polizeiangaben erste Notrufe ein, weil ein unbekannter Angreifer plötzlich auf Besucher des Straßenfests eingestochen habe. Wegen seines zielgerichteten Vorgehens stufte die Polizei die Tat bald darauf als Anschlag ein. Der Angreifer tötete zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Tausende feierten in der Solinger Innenstadt am Abend das 650-jährige Jubiläum der Stadtgründung. Auf dem gut besuchten Fronhof, einem Marktplatz, war für das Fest eine Bühne aufgebaut worden. Unmittelbar vor dieser Bühne schlug der Täter zu.

Die Flucht

Dem Täter gelang es, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik zu entkommen. Im gut besuchten Stadtzentrum verlor sich seine Spur. Ungeklärt ist nach wie vor auch, wie der Täter nach dem Anschlag untertauchte. Er soll sich die gesamte Zeit über auf einem Hinterhof versteckt gehalten haben.

Terroranschlag?

Ob es sich bei dem Gewaltverbrechen um einen Terroranschlag handelt, ist aufgrund des ungeklärten Motivs noch offen. Die Staatsanwaltschaft sprach vom „Anfangsverdacht einer terroristisch motivierten Tat“. Sollten sich die Hinweise verdichten, komme eine Übernahme des Falles durch den Generalbundesanwalt in Betracht.

Das Motiv

Die Polizei hat noch keine Informationen zum Motiv des Täters bekanntgegeben. Allerdings hält sie einen terroristischen Hintergrund für möglich - einfach weil ein anderes Motiv kaum ersichtlich ist. Infolge der Festnahme des Tatverdächtigen dürften sich - entweder durch seine Vernehmung oder Ermittlungen zu seiner Person - wohl bald weitere Anhaltspunkte ergeben. Der Islamische Staat (IS) gab in seiner Mitteilung als Grund für die Attacke „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ an. Das legt einen Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas nahe. Ob dies zutrifft, ist bislang aber nicht erwiesen. Gleiches gilt für die Frage, ob der mutmaßliche Attentäter tatsächlich Verbindungen zum IS hatte.

Die Waffe

Die Polizei hat mehrere Messer sichergestellt und prüft, welches davon der Tat zugeordnet werden kann. Bei der Festnahme des Tatverdächtigen wurden Innenminister Reul zufolge auch „Beweisstücke“ gefunden. Es blieb aber unklar, worum es sich dabei handelte. ■