Eine erschreckende neue Analyse zeigt, wie stark hohe Mieten und Nebenkosten die Armut in Deutschland antreiben. Laut einer Studie des Paritätischen Gesamtverbands, die auf Daten des Statistischen Bundesamts basiert, leben mehr als 17,5 Millionen Menschen nach Abzug ihrer Wohnkosten im Armutsbereich.
Damit sind 5,4 Millionen mehr Menschen von Armut betroffen als bisher angenommen. Die Analyse legt offen, dass eine konventionelle Berechnung der Armut, die Wohnkosten unberücksichtigt lässt, das wahre Ausmaß dieses sozialen Problems verschleiert.
Was bedeutet Armut in Zahlen?
Armutsgefährdet ist, wer monatlich weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung hat. Für einen Ein-Personen-Haushalt liegt die Grenze bei 1.016 Euro frei verfügbarem Einkommen. Doch wenn Miete, Nebenkosten und andere Wohnkosten abgezogen werden, bleibt bei vielen Haushalten erschreckend wenig übrig. Besonders betroffen sind alleinstehende Rentner, von denen 41,7 Prozent in Armut leben, sowie junge Erwachsene unter 25 Jahren, deren Armutsquote bei 31 Prozent liegt.

Regionale Unterschiede und die schlimmsten Brennpunkte
Die regionale Verteilung von Wohnarmut zeigt ein deutliches Bild: Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg zählen zu den Spitzenreitern der Wohnkostenkrise. In diesen Bundesländern ist die Differenz zwischen der konventionell berechneten und der realen, um Wohnkosten bereinigten Armutsquote besonders hoch. Hingegen schneiden Baden-Württemberg und Bayern etwas besser ab – dort sind Wohnkosten im Verhältnis zum Einkommen weniger belastend.
Ein Beispiel aus der Hauptstadtregion verdeutlicht die Problematik: In Berlin steigt die Armutsquote von 13,7 Prozent nach konventioneller Berechnung auf alarmierende 20,8 Prozent, sobald Wohnkosten einberechnet werden. In Brandenburg liegt der Sprung bei ähnlichen Werten, von 14,8 auf 20,3 Prozent. Beide Länder zeigen deutlich, wie Mieten zu einer sozialen Zerreißprobe werden.

Die vergessenen Millionen
Der Paritätische Gesamtverband kritisiert, dass die bisherige Armutsstatistik Millionen Menschen unsichtbar macht. „Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber die hohen Wohnkosten, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland“, warnt die Studie. Tatsächlich lebt mehr als ein Fünftel der deutschen Bevölkerung unter der Armutsgrenze, wenn die realen Belastungen durch die Wohnkosten berücksichtigt werden.
Forderungen an die Politik
Der Verband fordert dringend politische Maßnahmen: Es müssen neue und dauerhaft sozial gebundene Wohnungen geschaffen werden, um den Mietmarkt zu entlasten. Daneben werden bessere Löhne und eine sozialere Absicherung als zentrale Instrumente zur Armutsbekämpfung genannt. „Ohne eine zielgerichtete Wohnungspolitik wird die Schere zwischen arm und reich weiter aufgehen“, heißt es in der Stellungnahme.
Eine tickende Zeitbombe
Die Wohnkostenkrise betrifft nicht nur die Ärmsten. Sie ist ein Problem, das zunehmend auch die Mittelschicht unter Druck setzt und den sozialen Zusammenhalt gefährdet. Ob junge Erwachsene, alleinlebende Rentner oder Alleinerziehende – die Auswirkungen der steigenden Wohnkosten treffen die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten. Die Forderung nach einer Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält, könnte nicht dringlicher sein. Die Politik steht vor einer Herkulesaufgabe, um diese soziale Krise zu entschärfen. ■