Leipzig, Dresden, Chemnitz: WARUM viele Städte in Sachsen Gender-Sonderzeichen meiden
Die deutsche Sprache macht es Verwaltungen nicht einfach. Gender-Sternchen, Unterstrich oder interner Doppelpunkt - die Verwendung ist umstritten, die Handhabung unterschiedlich.

Gender-Sternchen, Unterstrich, interner Doppelpunkt: Bei ihren Veröffentlichungen und Schreiben verzichten die großen Städte in Sachsen trotz geschlechtersensibler Sprache weitgehend auf diese Sonderzeichen. „Im Vordergrund steht die gute Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Leipzig, Genka Lapön, bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Hingegen sehen Teile der sächsischen Regierung Gender-Sternchen, Unterstrich und internen Doppelpunkt als wichtiges Ausdrucksmittel an - und weichen damit von der Empfehlung des Rates für deutsche Rechtschreibung ab.
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Dieser hatte sich in einer Empfehlung vor rund einem Jahr gegen die Verwendung von Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt ausgesprochen. Texte sollten sachlich korrekt, verständlich, lesbar und auch vorlesbar sein, argumentierte der Rat. Die geschriebene deutsche Sprache müsse nicht nur von Schülerinnen und Schülern erlernt werden, deren Rechtschreibleistungen ja immer wieder Anlass zu Diskussionen gäben.
Ohne Gender-Sternchen: Die Texte sollen für jeden verständlich bleiben
Es müsse zudem auf mehr als zwölf Prozent aller Erwachsenen Rücksicht genommen werden, die nicht in der Lage seien, auch nur einfache Texte zu lesen und zu schreiben. Auch Menschen, die Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache erlernten, solle der Sprach- und Schrifterwerb nicht erschwert werden. Zudem gehe es um eine gewisse Einheitlichkeit der geschriebenen Sprache im deutschsprachigen Raum.

Das Justiz- und Gleichstellungsministerium operiert in der Öffentlichkeitsarbeit durchaus mit Doppelpunkt oder Gender-Stern - und begründet das mit der Zuständigkeit für intergeschlechtliche und transgeschlechtliche Personen sowie Menschen mit weiteren Geschlechtsidentitäten. Diese müssten sprachlich abgebildet, sichtbar gemacht und angesprochen werden, sagte eine Ministeriumssprecherin. Dazu würden auch Schreibweisen genutzt, die gegenwärtig kein Bestandteil des Regelwerks der deutschen Rechtschreibung sei, die sich aber „infolge einer sprachlichen Weiterentwicklung“ in diesen Zielgruppen herausgebildet hätten.
Sternchen (Mitarbeiter*innen) und andere verkürzte Formen seien nicht zulässig
In anderen Ministerien wird das nicht so gesehen. Laut Kultusministerium erfüllt die Verwendung von Gender-Stern, Doppelpunkt, Unterstrich „weder die Kriterien für eine gendergerechte Schreibung noch den aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks“. Diese Zeichen seien daher im Bereich der Schule auch in offiziellen Schreiben nicht zu verwenden, heißt es.
Empfohlen werden etwa Paarformen (Schülerinnen und Schüler) oder geschlechtsneutrale Formulierungen (Lehrkräfte, Personal, Jugendliche). Auch das Kultusministerium verzichtet auf Sonderzeichen zum Gendern. Laut Staatskanzlei wird derzeit an einer einheitlichen Position zum Thema innerhalb der Regierung gearbeitet.
In der Stadt Leipzig sei das Regelwerk der deutschen Sprache maßgeblich, das auf den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung basiere, sagte Lapön. Sternchen (Mitarbeiter*innen), Unterstrich (Mitarbeiter_innen) oder auch der Doppelpunkt (Mitarbeiter:innen) sowie andere verkürzte Formen seien nicht zulässig. „Wann immer möglich, soll auf die ausgeschriebene Form (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) zurückgegriffen werden.“ Das betreffe offizielle Schreiben ebenso wie die Kommunikation über das Internet. Sollte das nicht möglich sein, solle die Form „Mitarbeiter/-innen“ genutzt werden.
Laut den „Allgemeinen Dienst-und Geschäftsanweisung“ der Stadt Dresden sollen in Verwaltungsvorschriften und dem Schriftverkehr die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zwar sprachlich berücksichtigen werden. „Allerdings schreibt sie den Beschäftigten keine starren Regeln zur geschlechtergerechten Sprache vor“, sagte Stadtsprecher Kai Schulz.
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Das Amt für Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll orientiere sich an der Duden-Redaktion, die mehrere Publikationen zu geschlechtersensibler Schreibweise veröffentlicht hat. In Chemnitz wird eine einheitliche Regelung vorbereitet. Die Stadt verwendet demnach in offiziellen Schreiben noch die „klassische Schreibweise“, greife aber in Broschüren und in den sozialen Medien schon auf Gender-Stern oder Doppelpunkt zurück.
In der evangelischen Landeskirche gibt es laut Sprecherin Tabea Köbsch keine einheitliche Regelung. Allerdings solle in allen Arbeitsbereichen der Landeskirche eine Sprache gebraucht werden, die niemanden ausgrenze und in der die Gemeinschaft von Frauen und Männern angemessenen Ausdruck finde. „Insgesamt nehmen wir wahr, dass das Gendern ein Thema ist, welches in unseren Kirchgemeinden und bei älteren Gemeindegliedern nicht selten zu kontroversen Diskussionen führt“, sagte Köbsch. „Auch hier sind die Kirchgemeinden letztlich ein Spiegel der Gesellschaft.“