Geplante Hartz-IV-Erhöhung reicht nicht aus
Der monatliche Regelsatz soll um monatlich 7 Euro steigen. Die Opposition und Sozialverbände befürchten eine weitere soziale Spaltung.

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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Hartz-IV-Sätze ab dem kommenden Jahr moderat erhöhen und erntet dafür Kritik von Sozialverbänden, Gewerkschaften und dem politischen Gegner. Heils Entwurf sieht eine Steigerung von 7 Euro im Monat für Alleinstehende auf 439 Euro vor. Betroffene hätten damit rund 1,62 Prozent mehr in der Tasche. Für Verheiratete soll der Satz um 6 auf 395 Euro steigen. Am größten fällt das Plus bei Kindern bis fünf Jahren aus. Sie sollen künftig 279 Euro pro Monat und damit 29 Euro mehr bekommen, wohingegen der Regelbedarf für sechs- bis 13-Jährige bei 308 Euro stagniert.
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VDK, gehen die geplanten Erhöhungen nicht weit genug. „Sieben Euro reichen hinten und vorne nicht. Das sind gerade mal 23 Cent am Tag“, sagt sie der Berliner Zeitung. Armut könne so nicht wirksam bekämpft werden. „In der Corona-Krise hat sich der Staat an vielen Stellen großzügig gezeigt. Aber für die Schwächsten in der Gesellschaft ist kein Geld da. Wir fordern eine deutliche Erhöhung der Regelsätze, damit die Menschen am Leben teilhaben können.“
Verdi fordert 100 Euro Soforthilfe für Hartz-IV-Emfpänger
Auch Verdi kritisiert den Entwurf des Bundesarbeitsministeriums scharf. „Hartz IV ist zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben“, sagt Dierk Hirschel, Verdi-Chefökonom. Die Berechnung der Sätze sei nicht bedarfsgerecht und liege deutlich unter der Armutsgrenze von 60 Prozent des mittleren Einkommens. „Daran ändert auch die geringfügige Anhebung nichts.“ Die Corona-Krise verschärfe die finanzielle Situation von Hartz-IV-Empfängern zusätzlich. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Lebensmittelpreise im Zuge der Pandemie fordert Verdi daher eine Soforthilfe von 100 Euro.
Gleichzeitig habe die Pandemie laut Sven Lehmann, dem sozialpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, „schonungslos offen gelegt, wie massiv untergedeckt die derzeitige Grundsicherung ist“. Er mahnt eine Stärkung der unteren Einkommen an, um zu verhindern, dass sich die soziale Spaltung weiter verschärfe. Lehmann kritisiert, dass die Bundesregierung die Regelsätze systematisch kleinrechne. „Dabei kommen lebensferne Beträge wie 5 Euro am Tag für Lebensmittel heraus.“ Darüber hinaus wirft er der Regierung Willkür bei der Berücksichtigung bestimmter Kosten vor. So werden laut Entwurf künftig erstmals auch Handykosten in die Berechnung des Regelsatzes einbezogen. Ausgaben beispielsweise für einen Regenschirm oder einen Weihnachtsbaum seien dagegen nicht vorgesehen.
Grüne fordern einen Regelsatz von 603 Euro monatlich
Um untere Einkommensgruppen zu stärken, schlagen die Grünen eine Grundsicherung vor, „die Hartz IV ablöst, Teilhabe garantiert und das Existenzminimum sicherstellt“, wie es in ihrem Konzept heißt. „Die Politik der großen Koalition ist von der politischen Formel getrieben: Die Löhne sind niedrig, deswegen muss die Grundsicherung noch niedriger sein“, schreiben die Grünen in ihrem Papier. Die Partei setzt sich daher für einen Regelsatz von 603 Euro für Alleinstehende ein, der sich aus drei Säulen zusammensetzt: dem lebensnotwendigen Grundbedarf, dem weiteren Grundbedarf und der soziokulturellen Teilhabe. So sollen beispielsweise neben Ausgaben für Ernährung und Bekleidung auch Kosten für die Haushaltsausstattung sowie für Freizeit und Bildung stärker berücksichtigt werden als bisher. Daneben plädieren die Grünen für Sanktionsfreiheit.
Hartz-IV-Berechnung
Die Bundesregierung hat die Pflicht, den Regelsatz für Hartz IV alle fünf Jahre neu zu berechnen und gesetzlich zu verankern. Diese Berechnung beruht auf einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamts und orientiert sich an den Verbrauchsausgaben der unteren Einkommensgruppen. Die letzte Anpassung fand 2016 statt. Daher müssen die Regelsätze nun für das kommende Jahr neu bestimmt werden.
Auch der Linken sind Sanktionen ein Dorn im Auge. „Die Sanktionspraxis muss sofort beendet werden. Die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaften, Zwangsumzüge und Schnüffeleien im Privatleben müssen der Vergangenheit angehören“, sagt Katja Kipping, Parteivorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der Linken, der Berliner Zeitung. „Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten schlagen wir für das nächste Bundestagswahlprogramm 1200 Euro monatlich vor.“ Für Kipping ist die von Heil geplante Erhöhung der Hartz-IV-Sätze ein „Armutszeugnis“. „Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales muss die Regelsätze endlich seriös und nachvollziehbar berechnen, wie es Verbände, Gewerkschaften und Betroffene seit langem fordern.“ Denn die Praxis, Regelsätze kleinzurechnen, bedeute für Millionen von Menschen ein Leben „in gesetzlich verordneter Armut“.
Das Bundesarbeitsministerium wollte sich nicht zur Kritik an der geplanten Hartz-IV-Erhöhung äußern, da man sich noch in der regierungsinternen Abstimmung befinde. Läuft alles wie geplant, wird die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze im Herbst beschlossen. Laut dem Gesetzentwurf entstünden durch die Reform Mehrkosten von 829 Millionen Euro jährlich.