Am vergangenen Wochenende kam es bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Pennsylvania zu einem Attentat auf den Ex-US-Präsidenten Donald Trump. Der Republikaner entging nur knapp – laut Analysen von Experten aufgrund einer winzigen Kopfbewegung – dem Tod. Nur eine Verletzung am Ohr zog sich der Politiker zu, weil ihn die Kugel dort streifte. Es war klar, dass bei so viel Glück die ersten Verschwörungstheorien nicht lange auf sich warten lassen würden. Und tatsächlich: Im Netz gibt es schon jetzt die wildesten Mythen, die versuchen, das Attentat auf den Ex-Präsidenten der USA auf ganz andere Art zu erklären.
Das Attentat auf Trump – es birgt reichlich Stoff für Verschwörungs-Erzählungen – die Schüsse von Pennsylvania waren kaum verhallt, da tauchten im Internet bereits die ersten Erklärungen auf: US-Präsident Joe Biden habe den Anschlag angeordnet, behaupteten die einen. Der Mordversuch sei bloß inszeniert, um den republikanischen Präsidentschaftskandidaten zum Helden zu machen, erklärten andere. Beide politischen Lager in dem bis aufs Äußerte gespaltenen Land waren schnell mit Thesen unterwegs, dass die jeweils andere Seite ihre Hand im Spiel gehabt habe.
Die „verdächtige“ Besucherin mit dem „Biden“-Schild
Es ist nicht besonders verwunderlich: Kaum erklärbar wirkt, wie viel Glück Donald Trump bei dem Attentat hatte. Im Moment vor den ersten Schüssen drehte er während seiner Rede den Kopf nach rechts – die Kugeln zischten so an ihm vorbei, eine erwischte lediglich sein Ohr. Eine Analyse der Bild-Zeitung zeigt: Hätte der Politiker seinen Kopf nicht gedreht, wäre das Geschoss vermutlich in seinen Hinterkopf eingeschlagen, sein Tod hätte die Folge sein können. Zudem nutzte Trump die Situation sofort aus, reckte die Hände in die Höhe. Das ikonische Bild wird ihm, da sind sich Beobachter einig, im Wahlkampf garantiert eine Hilfe sein.

Doch auch für die andere Seite sind Verschwörungstheoretiker empfänglich: Auf der Plattform X zirkulierte etwa ein Video in Nahaufnahme einer angeblich verdächtigen Besucherin der Wahlkampfveranstaltung mit einem „Biden“-Schild. In mehreren Sprachen wurde der konspirative Mythos in Umlauf gebracht. Vermutlich hielt die Frau aber nur das gleiche Pappschild wie viele Trump-Fans im Publikum: „Joe Biden, du bist gefeuert“, stand darauf.
Auch ein Foto von lächelnden Sicherheitsbeamten mit dem blutverschmierten Donald Trump sollte als Beweis dafür herhalten, dass der Anschlag von oben geplant gewesen sei. Eine Prüfung der Nachrichtenagentur AFP ergab allerdings, dass das Bild der grinsenden Personenschützer entsprechend bearbeitet wurde.
Auch Fakten können die wilden Theorien zum Attentat auf Trump nicht aufhalten
Doch auch Fakten können die Flut der Gerüchte im Internet nicht aufhalten. Zahlreiche Internetnutzer identifizierten den falschen Mann als Schützen und behaupteten zum Beispiel fälschlicherweise, ein italienischer YouTuber habe auf Trump geschossen. Auch das Video eines Mannes, der sich selbst in seinem Auto filmte und andeutete, er sei der Attentäter, wurde massenhaft verbreitet – obwohl viele US-Medien den Clip als schlechten Scherz entlarvt hatten.

Den Politikwissenschaftler Julien Giry verwundert die Massenhysterie nach dem Anschlag nicht. „Hätte es keine Verschwörungstheorien gegeben, wäre das eine Überraschung gewesen“, sagt Giry. Die vielen Aufnahmen von Profis und Amateuren des Attentats böten umfangreiches Material, „um einen alternativen Diskurs zu schaffen“. So verleihe der versuchte Mord der Behauptung Glaubwürdigkeit, dass Trump „bedroht wird, dass er vielleicht gegen okkulte Kräfte, den Deep State, kämpft“, urteilt der Experte für Verschwörungsmythen. Der „Deep State“ ist eine unter rechtsextremen Verschwörern, insbesondere in der QAnon-Bewegung, weit verbreitete Vorstellung. Demnach gibt es einen geheimen Schattenstaat, der im Verborgenen die Strippen zugunsten bestimmter Gruppen zieht.
Trump-Gegner sicher: Der Anschlag auf den Ex-US-Präsidenten wurde inszeniert!
Im Lager der Demokraten wiederum wurde seit Samstag die These populär, bei dem Anschlag handele es sich um eine Inszenierung. „Die Reaktion der zentristischen und demokratischen Kreise ist ziemlich unglaublich“, sagt der Journalist Anthony Mansuy, ein Experte für die Verschwörungsszene in den Vereinigten Staaten. Unter dem Hashtag #staged hätten sie sofort verkündet, das Attentat sei fingiert. Der für den Schutz des Ex-Präsidenten zuständige Secret Service habe den Vorfall inszeniert, das Blut in Trumps Gesicht sei nicht echt gewesen, propagierten prodemokratische Accounts. Das zeige, „dass niemand immun gegen die Hirngespinste von Verschwörungstheorien ist“, sagt Mansuy.
„In beiden politischen Lagern der USA ist ein verstärkter Hang zu Verschwörungstheorien zu beobachten“, sagte Imran Ahmed, Leiter des Zentrums gegen Online-Hass, der Zeitung Washington Post. „Verschwörungstheorien liefern einfache Erklärungen und einen Grund, sich nicht mit der Realität auseinandersetzen zu müssen.“ Die Schüsse auf Trump wecken Erinnerungen an die Ermordung von John F. Kennedy 1963. Auch mehr als 60 Jahre danach seien 70 bis 80 Prozent der Menschen in den USA davon überzeugt, dass der US-Präsident einer Verschwörung zum Opfer gefallen sei, sagt Politologe Giry. ■