Sie wurde im Vorfeld in Amerika als die „entscheidendste Debatte von Vizepräsidenten-Kandidaten aller Zeiten“ hochgespielt. Tim Walz und J.D. Vance waren angetreten, um als Fürsprecher für Kamala Harris und Donald Trump bei noch unentschlossenen Wählern zu punkten. Das gelang den Beiden in ihrem 90-minütigen Schlagabtausch nur bedingt bis eher gar nicht.
Stattdessen deckten der Gouverneur von Minnesota und der Senator aus Ohio im Vergleich zur Präsidentschaftskandidaten-Debatte unfreiwillig die jeweiligen Defizite ihrer eigenen Mitstreiters offen. Denn während Walz anders als Kamala Harris in der Lage war, substanzielle politische Inhalte zu nennen, zeigte sich Vance im Gegensatz zu Donald Trump auch bei Attacken seines Gegenübers sehr diszipliniert, ruhig und rhetorisch versiert.
Vance bewies von Anfang an, dass sein bereits auf der Yale Law School erworbener Ruf als hervorragender Kommunikator stimmte. Der für seine kontroversen Statements bekannte Politiker versuchte seine „weichere Seite“ zu zeigen, nannte sich wiederholt „Vater von drei Kindern“ und verzichtete auf persönliche Attacken gegen Walz. Der 40-Jährige geriet aber in verbale Turbulenzen, wenn er die wechselnden Positionen des Ex-Präsidenten zu Themen wie Abtreibung, Grenzsicherung oder Gesundheitswesen schlüssig erläutern sollte.
US-Vizekandidaten liefern sich Schlagabtausch im TV
Sein wohl effektivster Spruch der Nacht gegen Harris kam, nachdem Walz versucht hatte, die Probleme der hohen Inflation und illegaler Einwanderung auf Trump zu schieben: „Wer war denn bitte Vizepräsidentin in den letzten dreieinhalb Jahren? Die Antwort ist ihre Mitstreiterin, nicht mein Running Mate!“

Der für seine volkstümliche Redensweise bekannte Walz scheiterte mit dem Versuch, unangenehme Fragen (wie seine erwiesene Falschaussage, dass er 1989 beim chinesischen Aufstand am Platz des Himmlischen Friedens in Hongkong gewesen sei) mit Selbstironie auszuweichen. Sätze wie „Ich bin halt nicht perfekt“ oder auch „Ich bin manchmal ein Schwachkopf“ erschienen weniger humorvoll und eher als hilflose Ausrede.
TV-Duell Vance gegen Walz: Hart in der Sache, fair im Umgang
Dem anfangs sichtlich nervösen und schnell sprechenden Walz gelang es nur bedingt, Vances offensichtliche Debatten-Strategie zu kontern - nämlich alle negativen Aspekte der Biden-Regierung mit der Vizepräsidentin in Verbindung zu bringen. Erst durch sein leidenschaftliches Plädoyer zum Thema Abtreibung konnte er Vance erstmalig in die Enge treiben und zum Ausspruch „Ich weiß, dass uns Amerika bei Abtreibungsrechten nicht vertraut“ verleiten.
Vance schien mit seinen Antworten weniger die Millionen Zuschauer vor den Fernsehern zufriedenstellen zu wollen, als seinen Boss, der live auf „Truth Social“ kommentierte. Deshalb konnte er auch nicht öffentlich zugeben, dass Trump die Wahl 2020 verloren hatte - weil dieser bis heute auf seinen Sieg besteht. Stattdessen wich er mit einer Nicht-Antwort („Tim, ich fokussiere mich allein auf die Zukunft“) aus.
Das ermöglichte Walz, mit einem eigenen Highlight zum Ende der Debatte seine nicht immer überzeugende Leistung auszugleichen. Er erinnerte die Zuschauer daran, dass von Trump eine Gefahr für die Demokratie ausgeht: „Wenn alles vorbei ist, müssen wir uns die Hände schütteln und der Gewinner muss der Gewinner sein. Das andere muss aufhören!“
Die Auswirkungen der Debatte auf die Wahl am 5. November dürften im polarisierten Amerika minimal sein. Das belegt auch eine „Blitz-Umfrage“ von „YouGov“ unter den TV-Zuschauern des Duells. Von denen sahen 42 Prozent Vance zwar als Gewinner des Abends, doch damit lag er nur 1 Punkt vor Walz.
Das Fazit: Trotz des Hypes um das Duell schafften es Walz und Vance kaum, den US-Wählern die politischen Visionen ihrer Bosse für die Zukunft des Landes näherzubringen. Am Ende wird es, so wie bislang immer in der Geschichte der Vereinigten Staaten, allein von Harris und Trump abhängen, hinter wem die Wähler am 5. November (oder bei den bereits begonnenen Briefwahlen) ihr Kreuzchen machen. ■