Viel mehr Missbrauchs-Opfer in der katholischen Kirche als befürchtet

Sex-Skandal: Diese Zahlen hält Kardinal Woelki unter Verschluss

Die Zahl von Missbrauchsopfern im Erzbistum Köln ist einer neuen Studie nach deutlich höher als bislang bekannt.

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Kardinal Rainer Maria Woelki steht seit Wochen in der Kritik, Mitglieder verlassen in Scharen die katholische Kirche.
Kardinal Rainer Maria Woelki steht seit Wochen in der Kritik, Mitglieder verlassen in Scharen die katholische Kirche.dpa/Oliver Berg

Die katholische Kirche im Erzbistum Köln versinkt noch tiefer im Missbrauchsskandal: Vier Wochen vor der Vorlage eines neuen Rechtsgutachtens sind laut einem Zeitungsbericht erste Zahlen zu Tätern und Opfern bekannt geworden, die um mehr als das Doppelte über den bisherigen Angaben des Erzbistums liegen.

Mehr als 300 Opfer sexueller Gewalt

Mehr als 300 Opfer sexueller Gewalt und über 200 beschuldigte Kleriker – diese Zahlen gehen einem Bericht zufolge aus dem zweiten Gutachten hervor, das Kardinal Rainer Maria Woelki beim Kölner Anwalt Björn Gercke in Auftrag gegeben hat. Das Schriftstück soll am 18. März erscheinen.

Die Zahlen liegen deutlich höher als die Zahlen aus der sogenannten MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz von 2018. Damals waren für das Erzbistum Köln über einen Zeitraum von 70 Jahren 135 Opfer sexualisierter Gewalt und 87 beschuldigte Kleriker angegeben worden.

Kardinal hält erstes Gutachten unter Verschluss

Wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete, kam das Ersatzgutachten des Kölner Strafrechtlers damit beim Ausmaß der Missbrauchsfälle zu ähnlichen Ergebnissen wie die zuvor erstellte, aber von Woelki unter Verschluss gehaltene Studie der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl. Der Kardinal hatte dieses Gutachten wegen „methodischer Mängel“ zurückgehalten, was ihm harsche Kritik einbrachte. Außerdem gibt es auch gegen Woelki persönlich Vertuschungsvorwürfe.

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So brachte laut Bild-Zeitung erst vier Jahre nachdem ein Priester des Erzbistums Köln seinen wiederholten Missbrauch verschiedener Kinder gestanden hatte, einer von Woelkis Beratern den Fall 2018 zur Anzeige. Weiter soll Woelki einen inzwischen gestorbenen Priester nicht an den Vatikan gemeldet haben, der sich an einem Kind vergangen haben soll.

Vertuschungsvorwürfe gegen Kardinal Woelki

Auch Gerckes Gutachten enthält den Fall eines Priesters, der mehrfach wegen sexueller Übergriffe beschuldigt worden war. Der Mann wurde zunächst in einem Internat des Erzbistums und später in der Jugendseelsorge eingesetzt. Der Spiegel berichtet, dass der Priester 2007 von Erzbischof Woelki in den Ruhestand verabschiedet worden war.

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Wegen der Vertuschungsvorwürfe gegen den Kardinal verlassen Katholiken im Erzbistum in Scharen die Kirche. Bereits im Januar schnellte die Zahl von Austritten um 70 Prozent in die Höhe. Wegen der anhaltend hohen Nachfrage bietet das Kölner Amtsgericht ab März 1500 statt 1000 Austrittstermine pro Monat an.

Katholiken treten scharenweise aus der Kirche aus

In einem Brandbrief an Kardinal Woelki beklagten Pfarrer den immensen „Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust“, der Münchner Kardinal Reinhard Marx rügte Woelki wegen des „großen Schadens für die katholische Kirche“.

Mit dem Rücken zur Wand verspricht der Kardinal nun, mit der Veröffentlichung des Ersatzgutachtens den Skandal aufzuklären. Wenn ihm das Schriftstück ein pflichtwidriges Verhalten attestiert, schließt Woelki sogar einen Rücktritt nicht aus: „Gerckes Gutachten wird handwerklich sauber sein und es möglich machen, mein Versprechen einzulösen: Wir werden Namen von Verantwortlichen nennen.“ Er stehe bei den Betroffenen im Wort.