Kinderhilfe Kapstadt

Zwei starke Frauen, die für die Kinder aus den Elendsvierteln kämpfen

Marlis Schaper, Ex-Model und Unternehmerin, setzt sich zusammen mit Elke Zwicker seit über 20 Jahren dafür ein, dass die Armutsspirale in Südafrika durchbrochen wird. Mit Erfolgen. Ein Besuch vor Ort

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Weihnachtsfest unter südafrikanischer Sonne. Das große Highlight des Jahres. Einmal gibt es „ungesundes“ Essen, das Kinderaugen strahlen lässt.
Weihnachtsfest unter südafrikanischer Sonne. Das große Highlight des Jahres. Einmal gibt es „ungesundes“ Essen, das Kinderaugen strahlen lässt.Privat

Hout Bay, ein Vorort von Kapstadt. Südafrika komprimiert auf wenige Quadratkilometer, hier leben reiche weiße neben bitterarmen schwarzen Menschen. Offizielle Einwohnerzahl: 17.900 laut letzter Zählung vor 13 Jahren. Aber allein im Township Imizamo Yethu, auch Mandela Park genannt, wohnen nach Schätzungen 35.000 Menschen, zumeist sind es Illegale, einige sprechen eher von 50.000. Sie leben hier in unerträglichen Zuständen, leiden Hunger, hausen in Wellblechhütten unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Dutzende Familien müssen sich eine Toilette teilen. Und wenn es regnet, fließt das Wasser durch die Hütten. Und es regnet häufiger in der Kapregion.

Wir treffen Elke Zwicker auf dem Parkplatz der Silikamwa Highschool, direkt neben der Township gelegen. Elke (76), ursprünglich Schweizerin, lebt seit 17 Jahren mit ihrem Mann Hansruedi in Kapstadt. Sie hat ein warmes, gewinnendes Lächeln und führt uns zu ihrem Herzensprojekt, der Kindertagesstätte Little Lambs (Kleine Lämmer). An den Anblick der hohen, mit Elektrodraht bewehrten Zäune, gewöhnt man sich leider schnell in Südafrika. Auf dem kurzen Weg erzählt Elke von Einbrüchen, Vandalismus, wie lange es gedauert hat, hier ein wenig mehr Sicherheit zu haben.

Die Little Lambs haben etwas vorbereitet: Hier tanzen Sie nach dem Hit „We are the world“.
Die Little Lambs haben etwas vorbereitet: Hier tanzen Sie nach dem Hit „We are the world“.Zwicker

Es ist der letzte Tag vor den großen Ferien, ein großer Tag für die 256 Kinder im Alter von 1 bis 6, die heute hier sind. Alle Gruppen haben etwas vorbereitet, sie singen, tanzen, zeigen uns, was sie in diesem Jahr gelernt haben, eine unbeschwerte Fröhlichkeit, die zutiefst berührt. Und dann das große Mittagessen. Anpacken ist angesagt, Stühle, Tische müssen in den Garten gebracht, die Kleinsten an ihre Plätze geleitet werden. Das Essen ist da, einmal im Jahr gibt es das, was Kinderaugen noch mehr strahlen lässt, während sonst nur Gesundes auf dem Plan steht, gibt es heute: Hühnchen, Pommes, Eis. Eine Stunde später haben wir fettige, klebrige Hände, räumen auf und bringen die Kinder wieder in ihre Räume. Zeit der Mittagsruhe.

Als sie Blumen kaufen wollte, sah sie ein Kind, dass Matsch aß

Für uns Zeit, mehr über die Little Lambs und die Kinderhilfe Kapstadt zu erfahren. Dazu treffen wir auch Marlis Schaper, Ex-Model und Unternehmerin, die jeweils den Sommer auf Sylt und den deutschen Winter im sommerlichen Kapstadt verbringt. „Es war im September 2001, der kälteste Monat, den ich je gehabt habe“, berichtet sie „als ich Blumen kaufen wollte und vor einem Kindergarten ein kleines Kind sah, das Matsch aß. Ich war entsetzt und bin sofort in die Einrichtung gestürzt. Dort erzählte man mir, dass viele der 60 bis 80 Kinder dort schon seit Tagen nichts mehr zu essen gehabt hätten.“ Für eine Europäerin fast unvorstellbar, war Marlis nicht bereit, das hinzunehmen, also zog sie los, kaufte Obst, Gemüse, Reis, damit die Kinder gesund ernährt werden konnten. Aber sie ging noch weiter, sie aktivierte die deutsche Community in Kapstadt, sammelte Spenden. Seitdem kümmert sie sich um die Kinder im Township.

Ihre Villa steht nur ein paar Minuten entfernt von Imizamo Yethu, Luxus und Elend, wie passt das für sie zusammen? „Natürlich war ich das erste Mal total geschockt, als ich die Lebensumstände dieser Menschen gesehen habe, die Wellblechhütten, die fehlenden sanitären Einrichtungen, und die kleinen Kinder, die zum Großteil sich selbst überlassen sind und auf der Straße leben“, sagt sie. Doch der Schock währte nur kurz. „Ich habe ja sofort gehandelt. Jeden Tag eingekauft, das Essen den Kindern gebracht. Im Prinzip, was wir heute machen, nur ist das Projekt größer geworden …“ Viel größer. Wenn man Marlis erlebt, glaubt man dies gern. Eine ungeheure Energie strahlt sie aus, dass sie 85 Jahre alt ist, mag man allerdings kaum glauben.

Marlis Schaper gründete die Kinderhilfe Kapstadt.
Marlis Schaper gründete die Kinderhilfe Kapstadt.Privat

Kinderhilfe schafft Arbeitsplätze für Frauen

Marlis und Elke haben sich 2008 gefunden, seitdem sind sie ein Team, das viel bewegt. Marlis mit ihrer Power, ihren durchaus glamourösen Charity-Veranstaltungen („Betteln macht mir nichts aus. Und ich weiß, ich kriege das Geld für die Kinder, bisher hat es immer geklappt“) und Elke, die Organisatorin, die in sich ruht, Verhandlungen mit Behörden führt, die komplette Administration übernimmt, Berichte an Sponsoren schreibt und vieles mehr.

Mit den Jahren schufen sie den Kinderhilfe Kapstadt Trust, eine Stiftung mit klaren Zielen, wie ein Umfeld für eine fröhlichere und sicherere Kindheit ermöglicht werden kann.  „Wir setzen uns für die vielen benachteiligten Township-Kinder ein, leisten eine effiziente Vorschulerziehung in englischer Sprache, ermöglichen eine gesunde Ernährung, fördern die Hygiene“, sagt Elke. „Zudem schaffen wir Arbeitsplätze für Frauen. Sie werden angemessen entlohnt, um die Spirale der Armut zu durchbrechen.“

Elke Zwicker, gebürtig aus Braunschweig, verbrachte den größten Teil ihres Lebens in der Schweiz.
Elke Zwicker, gebürtig aus Braunschweig, verbrachte den größten Teil ihres Lebens in der Schweiz.Privat

Hunger, Gewalt, Missbrauch, Drogen bleiben außen vor

Aus dem kleinen Projekt wurde inzwischen eine Kita mit eigenem Spielplatz, in der heute 310 Kinder betreut werden. Hunger, Gewalt, Missbrauch, Drogen, Alkohol bleiben hier außen vor. Die 24 Festangestellten sind zum Großteil Frauen. Die Erzieherinnen werden ständig fortgebildet. Sie schaffen es, den Kindern spielerisch ans Lernen heranzuführen. Gerade bei den Kleinsten, die häufig von den Eltern vernachlässigt sind, eine schwierige Aufgabe. Bei den 5- und 6-Jährigen muss die genaue Umsetzung der Vorschulerziehung des Western Cape Bildungsministeriums nachgewiesen werden.

Was geblieben ist, ist das gesunde Essen. Zwei Mahlzeiten am Tag mit frischem Gemüse, Obst und Joghurt. Doch für Fleisch fehlt es an Geld. Trotz staatlicher Fördermittel für Gehaltszuschüsse, Ernährung, Schulmaterial und Anschaffungen, sind die Little Lambs aus Zuwendungen von der Kinderhilfe Kapstadt in Höhe von 30.000 Euro angewiesen. Und die Lage wird noch bedrohlicher, da die staatlichen Zuschüsse erheblich gekürzt wurden, fehlen im kommenden Jahr 30 % an Subventionen. „Wir rechnen mit weiteren 15.000 Euro, die wir nur mithilfe von Spenden zuschießen müssen.“

Das Kita-Gebäude liegt direkt neben der Township.
Das Kita-Gebäude liegt direkt neben der Township.Kinderhilfe Kapstadt

Auch Schulkinder sollen nicht auf der Straße leben

Für Marlis und Elke kein Grund zu verzagen. Sie haben ein Ziel vor Augen, den Kindern der Townships einen Start für ein hoffentlich besseres Leben zu ermöglichen, ihnen einen Weg zu ebnen, mittels Bildung aus der Township zu kommen. Und ihr Engagement zeigt Wirkung, nicht nur die Eltern sind dankbar für Spenden und Hilfe, auch die Schulen haben mittlerweile erkannt, wie gut die Little-Lambs-Kinder vorbereitet sind für ihren weiteren Weg. „Unsere Kinder werden mit Kusshand genommen“, sagt Elke. Damit dies auch nachhaltig für die kleinen Lämmer bleibt, spricht Elke sogleich von ihrem nächsten Projekt: Nachmittagsbetreuung für die Schulkinder.

Ein Eis zum Weihnachts-Essen, was gibt es Schöneres?
Ein Eis zum Weihnachts-Essen, was gibt es Schöneres?Zwicker

„Es kann ja nicht sein, dass die Kinder dann ab 7 Jahren, wenn sie auf die Schule gehen, auf der Straße leben“, sagt Elke. Also haben sie ein neues Gebäude finanziert, das ca. 400.000 Euro gekostet hat für die sieben- bis zehnjährigen Schulkinder, direkt neben dem Kindergarten. Seit Mai sind dort mittlerweile 65 Schulkinder in der Nachmittagsbetreuung. „Unser Ziel ist es, mit den Little Lambs die Kinder von ein bis zwölf Jahren durchgehend zu betreuen.“ Ein ambitioniertes Projekt, denn Förderung vom Staat ist für das Schulprojekt erst in frühestens zwei Jahren zu erwarten und viele Eltern können kaum ein Betreuungsgeld aufwenden.

Jeden Tag ist Elke unterwegs und schaut, dass die Spenden der Kinderhilfe Kapstadt genau dort ankommen, wo sie benötigt werden. Und da hat sie einiges zu tun, denn neben der Little-Lambs-Kita und der Nachmittagsbetreuung der Schüler, engagiert sich die Stiftung noch in fünf weiteren Projekten der Kinder- und Jugendausbildung in den Armensiedlungen.

Spielerisches Lernen. Die Little Lambs machen Fortschritte, werden gern in Schulen genommen.
Spielerisches Lernen. Die Little Lambs machen Fortschritte, werden gern in Schulen genommen.Zwicker

„Wir bauen, entwickeln, pflegen und unterstützen Orte, an denen Kinder und Menschen in einem liebevollen, fürsorglichen und sicheren Umfeld auf eine erfolgreiche Zukunft in der modernen Welt vorbereitet werden“, sagt Elke.

„Hey“, ruft ein kleiner Junge und strahlt mich an, die winzige Hand hochgereckt zum High-Five. Ich schlage ein, dann suchen wir gemeinsam sein Gruppenzimmer, in dem die meisten Kleinen schon auf ihren Matratzen liegen und schlafen. Friedlich und sicher.

Wenn Sie die Kinderhilfe Kapstadt unterstützen möchten, finden Sie anbei die Kontoverbindung. Ihre Spende ist von der Steuer absetzbar.

Dietrich F. Liedelt Stiftung, Hypo Vereinsbank (Hamburg); IBAN: DE04 2003 0000 0602 0695 44;
BIC: HYVEDEMM300, Verwendungszweck: Kinderhilfe-Kapstadt