TV-Tipp

Sonntag im „Tatort“: Dieser Fall macht die Kommissare fassungslos!

Das traurige Schicksal einer jungen Frau geht dem Stuttgarter Kommissar-Duo Richy Müller und Felix Klare unter die Haut!

Author - Stefan Doerr
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Nelly Schlüter (Bayan Layla) fühlt sich einsam, ihr Schicksal berührt.
Nelly Schlüter (Bayan Layla) fühlt sich einsam, ihr Schicksal berührt.Benoît Linder/SWR/ARD

Der neue Stuttgarter „Tatort“ bricht radikal mit dem üblichen Muster eines TV-Krimis. Statt temporeicher Ermittlungsdramaturgie steht ein stilles, bedrückendes Thema im Zentrum: Einsamkeit – und ihr zerstörerisches Potenzial. „Überlebe wenigstens bis morgen“, eine Produktion des SWR, läuft heute um 20.15 Uhr im Ersten.

Schon der Einstieg wirkt wie eine intime Beichte. „Rücken Sie doch mit dem Stuhl näher heran, dann erzähle ich Ihnen meine Geschichte“, flüstert eine Stimme aus dem Off. Nelly Schlüter, deren Geschichte der Film erzählt, ist Opfer und Erzählerin zugleich. „Es ist, als würde ich ganz laut um Hilfe rufen, aber es hört mich keiner.“

Ein Satz, der nachhallt – und das unscheinbare Drama einer jungen Frau zusammenfasst, die von allen verlassen wird: Die beste Freundin hat sich abgewandt, die Nachbarn wollen nichts wissen von Nelly, selbst die Eltern haben ihre Tochter monatelang nicht gesehen.

Warum wurde eine junge Frau von keinem vermisst?

Der Fall nimmt eine grausame Wendung, als Nellys stark verweste Leiche gefunden wird. Die Stuttgarter Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) stehen fassungslos vor der Frage, wie eine junge Frau monatelang verschwinden konnte, ohne dass jemand sie vermisst. Der Briefkasten ist leer, die Trauer der Menschen in ihrem Umfeld gering. Viele fanden sie „nett“, aber „zu anhänglich“. In einer Stadt, in der Nähe Mangelware ist, passte Nelly offenbar nicht ins Bild.

Thorsten Lannert (Richy Müller, l.) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ermitteln im erschütternden Fall.
Thorsten Lannert (Richy Müller, l.) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ermitteln im erschütternden Fall.Benoît Linder/SWR/ARD

„Einsamkeit ist kein Privileg der Alten mehr“, sagt Sebastian Bootz (Felix Klare) im Film. Und er liegt richtig: Studien zeigen, dass sich ein Drittel bis fast die Hälfte der jungen Erwachsenen in Deutschland einsam fühlt – besonders Menschen zwischen 19 und 22 und jene mit Migrationsgeschichte. Ein Thema, das lange tabu war und erst langsam ins Licht rückt.

Der Kriminalfall ist spannend und grausam zugleich

Doch Einsamkeit in einen Krimi zu übersetzen, ist heikel. Die Drehbuchautorin Katrin Bühlig sagt es offen: „Einsamkeit ist verdammt unsexy, sie ist traurig, man fühlt sich ausgeschlossen und alleingelassen.“ Genau deshalb entscheidet sie sich für eine doppelte Erzählstruktur. Eine Zeitebene folgt der Ermittlung, die andere Nellys inneren Welten – jenen Orten, an denen sie liebenswert und glücklich sein darf, fernab der realen Kälte.

Das miese Geschäft mit der Einsamkeit

Die Regisseurin Milena Aboyan begleitet die Kommissare durch diesen Fall mit fast dokumentarischer Ruhe. Die Sprachlosigkeit der Ermittler angesichts „der Welt da draußen“ zieht sich wie ein Schatten durch den Film. Und während das Team versucht, Nellys Leben zu rekonstruieren, öffnet sich eine weitere, düstere Dimension: Es gibt Menschen, die aus der Einsamkeit anderer Profit schlagen.

Der „Tatort“ aus Stuttgart wird so zum Spiegel einer Gesellschaft, in der jemand mitten in der Großstadt verschwinden kann – und niemand es bemerkt. Ein Krimi, der nicht nur aufklärt, sondern aufrüttelt.