350 Seiten Anklage

„Teufel von Avignon“: Urteil gegen Dominique Pelicot – 20 Jahre Haft!

Für die 51 Angeklagten im Missbrauchsprozess von Avignon fallen die Urteile. Zunächst entscheidet das Gericht, ob die Männer schuldig sind.

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Gisele Pelicot kommt mit ihren Anwälten im Gerichtsgebäude in Avignon an, bevor das Urteil im Prozess gegen ihren Ex-Mann und 50 weitere Angeklagte gesprochen wurde.
Gisele Pelicot kommt mit ihren Anwälten im Gerichtsgebäude in Avignon an, bevor das Urteil im Prozess gegen ihren Ex-Mann und 50 weitere Angeklagte gesprochen wurde.Clement Mahoudeau/AFP

Angeklagte, mehr als 350 Seiten Anklage und Missbrauchstaten, die Frankreich und die Welt erschüttern: Der Prozess um zigfache Vergewaltigung im südfranzösischen Avignon ist ein grausiges Mammutverfahren, das von Machtmissbrauch und Verrat, aber auch von Mut und dem Kampf für eine gerechtere Gesellschaft erzählt.

Der Prozess um ein schockierendes Verbrechen in Südfrankreich endete nun mit einem Urteil: Dominique Pélicot (72), bekannt als der „Teufel von Avignon“, wurde wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt. In dem Mammutverfahren in Südfrankreich standen neben dem Hauptangeklagten 50 weitere Männer vor Gericht, die meisten wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Die Richter haben am Donnerstag Haftstrafen zwischen drei und 20 Jahren haben gegen die 51 Angeklagten verhängt. Keiner der Angeklagten im Alter von 27 bis 74 Jahren wurde freigesprochen. Ein Teil von ihnen muss direkt ins Gefängnis.

20 Jahre für „Teufel von Avignon“ gefordert

Dominique Pélicot hatte seine damalige Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von Dutzenden Fremden vergewaltigen lassen. Die Taten hatte er vor Gericht gestanden. Der Vorsitzende Richter verkündete am Vormittag zunächst die Schuldsprüche. Im Anschluss wurden die Strafmaße kundgetan. Dominique Pélicot muss demnach 20 Jahre hinter Gitter.

Anklage hat teils lange Strafen für Mitangeklagte gefordert

Nebenklageanwalt Antoine Camus sagte: „Jeder hat in seinem Maß, auf seinem Niveau zu dieser Monstrosität, zu diesem Martyrium dieser Frau beigetragen.“ Zum Tatzeitpunkt sollen die Männer zwischen 21 und 68 Jahren alt gewesen sein. Dominique Pelicot suchte den Kontakt zu ihnen auf einer Online-Plattform.

Diese Gerichtsskizze zeigt Gisèle Pelicot (l) und ihren Ex-Mann Dominique Pelicot während seines Prozesses im Gerichtsgebäude in Avignon. Der Hauptangeklagte im Missbrauchsprozess in Avignon ist wegen schwerer Vergewaltigung zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.
Diese Gerichtsskizze zeigt Gisèle Pelicot (l) und ihren Ex-Mann Dominique Pelicot während seines Prozesses im Gerichtsgebäude in Avignon. Der Hauptangeklagte im Missbrauchsprozess in Avignon ist wegen schwerer Vergewaltigung zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.Valentin Pasquier/AP/dpa

Möglicherweise 200 Mal vergewaltigt

Der jahrelange sexuelle Missbrauch von Gisèle Pelicot war vor vier Jahren eher zufällig aufgeflogen. Dominique Pelicot war im September 2020 festgenommen worden, nachdem er Frauen im Supermarkt unter den Rock gefilmt hatte. Polizisten untersuchten den Computer des Mannes. Dieser hatte den Missbrauch an seiner Frau in Hunderten Fotos und Videos dokumentiert.

Gisèle selbst, hatte die Übergriffe wegen der starken Medikamente, die ihr damaliger Mann ihr heimlich verabreicht hatte, nicht mitbekommen. Sie geht davon aus, etwa 200 Vergewaltigungen erlitten zu haben. Die Ermittler vermuten auch ein Dutzend weitere Täter, die aber nicht identifiziert werden konnten.

Gisèle Pelicot ist zum Vorbild geworden

Das seit September laufende Verfahren hat Frankreich aufgerüttelt. In einem ungewöhnlichen Schritt entschied sich Gisèle Pelicot dazu, den Prozess nicht hinter verschlossenen Türen führen zu lassen. Sie habe sich nichts vorzuwerfen, betonte die Anfang-Siebzigjährige.

In nur wenigen Wochen wurde Pelicot zum Vorbild und zur feministischen Ikone. Sie wolle, dass andere missbrauchte Frauen durch sie Mut bekämen, sagte sie vor Gericht. „Ich will, dass sie keine Schande mehr verspüren. Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie.“

„Vergewaltigungen betreffen Frauen in der ganzen Welt, deshalb schaut auch die ganze Welt auf das, was hier passiert“, sagte Ghislaine Sainte Catherine von der feministischen Vereinigung Les Amazones d'Avignon. Etwa 180 Medien aus Frankreich und aller Welt waren bei dem Prozess akkreditiert.

„Gisèle Pelicot hat gezeigt, dass es sich lohnt, Täter vor Gericht zu bringen. Jeder Gerichtsprozess hilft unzähligen anderen Betroffenen“, betonte die deutsche Anti-Diskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman in einer ersten Reaktion auf das Urteil.