Wunderliche Normen

Neue Regeln für Wunder: Vatikan wird jetzt skeptischer

Wunder werden von nun an vom Vatikan in sechs Kategorien eingeteilt. Das soll die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche befördern.

Author - Jana Hollstein
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Der Papst bei seiner wöchentlichen Generalaudienz im Vatikan.
Der Papst bei seiner wöchentlichen Generalaudienz im Vatikan.Andrew Medichini/AP/dpa

„Wunder gibt es immer wieder“ heißt es – in Zukunft aber wohl sehr viel seltener. Die Kirche will diesbezüglich „skeptischer“ sein, am Freitag erließ der Vatikan neue „Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene“. Bischöfe müssen ihre Kandidaten jetzt einem Gremium vorstellen, das Wunder in sechs Kategorien einteilt. Ganz schön unromantisch …

Erste Wunder-Konferenz seit fast 50 Jahren

Die katholische Kirche hat in letzter Zeit so einiges an Glaubwürdigkeit aufgeben müssen. Da war im letzten Jahr zum Beispiel der Fall einer Madonnen-Statue in Italien, die nach Angaben einer selbsternannten Seherin aus dem Ort Trevignano Romano bei Rom unter anderem eine Pizza hatte größer werden lassen. Der Vatikan erklärte vor zwei Monaten die angeblichen Wunder von Trevignano für falsch.

Katholiken sahen wohl Handlungsbedarf. Zum ersten Mal seit 1978 setzten sich die Oberhäupter zusammen und entschieden über den Umgang mit übernatürlichen Phänomenen. Ganz schön starke Worte fanden sie dabei: Bei solchen Erscheinungen solle man die menschliche „Vorstellungskraft“ und dessen „Hang zur Lüge“ bedenken. So was könne „die Glaubwürdigkeit der Kirche untergraben“, erklärte das Glaubensdikasterium.

Erst letzten Monat sorgte die Madonna in Ostro für Aufsehen. Doch die vermeintlichen Blutstropfen waren in Wirklichkeit durch Milben verursacht.
Erst letzten Monat sorgte die Madonna in Ostro für Aufsehen. Doch die vermeintlichen Blutstropfen waren in Wirklichkeit durch Milben verursacht.Sylvia Krüger/dpa

Der Vatikan sorgt vor: Selbst die höchste Wunder-Kategorie lässt zweifeln

Seit 1950 wurden laut Dikasterium nur sechs Wunder klassifiziert, in Zukunft sieht es aus, als würde es noch weniger werden. Die neuen Wunder-Normen sind mit gut 15 Seiten gleich viermal so lang wie die bisherigen Regelungen. Ein Phänomen kann in eine von sechs Wunder-Kategorien fallen, die höchste ist „Nihil obstat“ („Es spricht nichts entgegen“).

Wem das jetzt nicht nach einer begeisterten Unterstützung klingt, liegt goldrichtig. Selbst in dieser Kategorie haben wir es nicht zweifellos mit einem Wunder zu tun. Es gebe nur „viele Anzeichen für ein Wirken des Heiligen Geistes ‚inmitten‘ einer bestimmten spirituellen Erfahrung“ bei gleichzeitiger Abwesenheit von kritischen oder riskanten Aspekten.

Kirche beschließt fünf Wunder-Graubereiche

Um Wunder in den anderen fünf Kategorien ist es noch ärger bestellt. Ist ein Phänomen zwar grundsätzlich plausibel übernatürlich, hat aber problematische Aspekte (wie unmoralische Handlungen), fallen sie in eine der nächsten drei Kategorien. Überwiegen kritische Aspekte, fällt ein Wunder in die zweitletzte Kategorie: „prohibetur et obstruatur“ („es ist zu verbieten und zu verhindern“). Gibt es handfeste Beweise, dass überhaupt kein Wunder vorliegt, gehört es in die niedrigste Kategorie: „declaratio de non supernaturalitate“ („Erklärung, dass es nicht übernatürlich ist“). ■