Vietnam wird derzeit von einem gigantischen Finanzskandal erschüttert. Im Zentrum steht die Chefin einer Immobilienfirma, die 67-jährige Truong My Lan. Sie soll riesige Geldsummen abgezockt und mehr als 40.000 Menschen in Mitleidenschaft gezogen haben. Nun steht sie vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft forderte die Todesstrafe für die Geschäftsfrau.
Über zehn Jahre hinweg soll Truong My Lan, Chefin des Immobilienentwicklers Van Thinh Phat Holdings, umgerechnet insgesamt 11,4 Milliarden Euro veruntreut haben. Sie soll die Saigon Commercial Bank, die ihr zu 90 Prozent gehört, regelrecht geplündert haben. Die Bank hatte sie sich über Aktienkäufe über ein Netz von mehr als Tausend Tochtergesellschaften, Scheinfirmen und Strohleuten angeeignet. Und sie besetzte die Bank mit Verwandten und Freunden. Über ihre dubiosen Firmen soll sie hohe Kredite erschlichen haben – etwa ein Drittel der Gelder sollen auf dem Privatkonto der 67-Jährigen gelandet sein.
Es wurden auch Zehntausende Sparer geschädigt. Meist Kunden der Saigon Commercial Bank, hatten sie Anleihen von Truong My Lans Immobilienfirma gezeichnet, wie der Schweizer Tagesanzeiger berichtet. Mindestens 42.000 Anlegern in ganz Vietnam sollen in dem Fall von ausbleibenden Zinszahlungen betroffen sein. Fast alle sollen Geld verloren haben, ihre Verluste werden insgesamt auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt.
Die Milliarden-Betrügerin zeigt vor Gericht keine Reue
Seit 5. März steht Truong My Lan nun vor Gericht in der Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt. Die staatliche Zeitung Tuoi Tre berichtete am Dienstag, die Angeklagte sei „stur“ und nicht geständig, mache Untergebene verantwortlich und zeige keine Reue. In dem Prozess sind neben Lan insgesamt 85 Menschen angeklagt. Acht von ihnen sind auf der Flucht. Tuoi Tre schrieb, viele Angeklagte hätten gestanden. Lan sei die Anführerin gewesen, streite aber jede Schuld ab. Die Staatsanwaltschaft hat die Todesstrafe für die 67-Jährige gefordert.

Vietnam geht seit einigen Jahren hart gegen Korruption vor. Am Dienstag begann ein Prozess gegen den Immobilienentwickler Do Anh Dung, der Tausende Anleger um insgesamt 326 Millionen Euro betrogen haben soll. Seine Firma Tan Hoang Minh häufte wegen nicht realisierter Bauten von Luxusbüros und -wohnungen bis Januar 2022 Schulden in Höhe von rund 746 Millionen Euro an. Danach verkaufte die Firma Wertpapiere mit hoher Verzinsung, um an frisches Geld zu kommen. 6630 Anleger gingen leer aus.
Seit 2021 wurden mehr als 4400 Menschen in Vietnam wegen Korruption angeklagt. Die Todesstrafe, wie sie die Staatsanwaltschaft für Truong My Lan fordert, wird aber selten in Wirtschaftsstrafsachen verhängt. Häufig sind hingegen Todesurteile wegen Drogenhandels. Offizielle Zahlen gibt es nicht, laut Amnesty International werden in Vietnam jedes Jahr eine „große Anzahl“ von Menschen hingerichtet. ■ mfk