Sprach-Genie

„Perlen vor die Säue“: All diese Redewendungen verdanken wir Martin Luther

Der Reformationstag (31. Oktober) steht vor der Tür und mit ihm auch die Erinnerung an Martin Luther. Wussten Sie, welche Redewendungen und Begriffe wir durch ihn und seine Bibel-Übersetzung haben?

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Begriffe und Redewendungen von Martin Luther. Montage mit dem Porträt des Refomers vom Künstler Lucas Cranach dem Älteren von 1528.
Begriffe und Redewendungen von Martin Luther. Montage mit dem Porträt des Refomers vom Künstler Lucas Cranach dem Älteren von 1528.opale.photo / Imago

Mehr als 500 Jahren ist es her, dass sich Martin Luther eine Zeit lang inkognito als „Junker Jörg“ auf der Wartburg im Thüringer Wald versteckte, um der Reichsacht zu entgehen. Im Dezember 1521 begann der Reformator hier in seiner Schreibstube mit der Übersetzung des Neuen Testaments. Vor allem aus dem Griechischen ins Deutsche.

Seine Methode? Er schaute dem Volk aufs Maul. Die Bibel sollte allen verständlich sein. Luthers Sprache hallt bis heute nach, es sind Begriffe und Redewendungen entstanden, die wir tagtäglich benutzen, ohne zu wissen, wo sie ihren Ursprung haben.

Dem Volk aufs Maul geschaut und bildmächtig formuliert

So sagen wir zum Beispiel „ein Stein des Anstoßes“ (1. Petrus 2,8), „das Licht unter den Scheffel stellen“ (Matthäus 5,15), „niemand kann zwei Herren dienen“ (Matthäus 6,24), „Perlen vor die Säue werfen“ (Matthäus 7,6)  oder  „mit seinen Pfunden wuchern“– und benutzen damit Wendungen, die Luther in die Alltagssprache gesät hat.

Viele Begriffe sind seine Sprachschöpfung: „Morgenland“, „Feuereifer“, „Langmut“, „Lästermaul“, „Lückenbüßer“, „Herzenslust“, „gastfrei“, „frohgemut“, „wetterwendisch“, „Hiobsbotschaft“. Sie waren vor Luther unbekannt und prägen seit 1522 das deutsche Vokabular mit. Auch Alltagsformeln wie „sein Herz ausschütten“ (Psalm 62,9), „die Zunge im Zaum halten“ (Jakobus 3,2) und „ein Herz und eine Seele sein“ (Apostelgeschichte 4,32) gehen auf den Reformator zurück.

Die Lutherstube in der Wartburg
Die Lutherstube in der WartburgMartin Schutt/dpa

„Die neue Konfession und ihr Haupttext, die Bibel, sollten alle erreichen. Darum wählte Luther immer landläufige Ausdrucksweisen“, erklärt der Tübinger Rhetorik-Professor Joachim Knape. Seine bildmächtigen Formulierungen gingen ins Ohr und blieben fürs Leben: poetisch und konkret zugleich. Knape schildert, wie das gelang: „Damals las man alles laut, auch wenn man allein war“, sagt der Rhetorik-Professor und fügt hinzu: „Luther kontrollierte damit die Eingängigkeit der deutschen Übersetzung beim Hörlesen.“

Martin Luther hat die Deutschen in der Sprache geeint

Dass Luther für Generationen zum Sprachlehrer wurde, hat aber noch einen weiteren Grund: Er lebte an der Sprachgrenze zwischen Norddeutsch und Süddeutsch, nutzte die mitteldeutsche Kanzleisprache als Brücke und filterte die bestverstandenen Begriffe heraus. Wer heute im Rheinland Schwester statt Suster sagt oder im Süddeutschen Lippe statt Lefze und Peitsche statt Geißel, folgt dem Standard, den Luther mit seiner Bibel-Übersetzung schuf.

Seine Übertragung wurde Grundlage der Schriftsprache der Deutschen, durch den Buchdruck bekam sie einen gewaltigen Schub. Goethe und die Brüder Grimm schwärmten: Erst mit Luther bekam das Deutsche literarischen Glanz und Einheit. (mit epd)