Die Gen Z – das sind die von 1995 bis 2010 Geborenen – muss sich ja einiges an Vorwürfen gefallen lassen. Wehleidig sei sie, egoistisch, faul, ohne gute Arbeitsmoral. Jetzt sorgt die Generation wieder für Gesprächsstoff. Es missfällt, wie die jungen Leute gucken. Der sogenannte „Gen Z Stare“ wird im Internet heiß diskutiert.
Gemeint ist ein vermeintlich starrer, ausdrucksloser Blick, der irgendwie genervt, fast schon zombiehaft wirkt. Das wird der jungen Generation aktuell oft unterstellt. Als prominente Beispiele erinnern etwa die Schauspielerinnen Jenna Ortega (22, „Wednesday“) oder Lily-Rose Depp (26, „Nosferatu“) in so mancher roten Teppich-Pose an diese «Mir ist alles egal“-Miene.
Der „Gen Z Stare“ soll vor allem in der Gastronomie vorkommen
Angeblich, so will es vor allem englischsprachigen Nutzern in den sozialen Medien auffallen, trete der besagte „Gen Z Blick“ typischerweise im Kundenkontakt (mit Älteren) auf - etwa bei der Bedienung im Café oder Restaurant. Wenn jemand einen Kaffee bestellt, quittiert die junge Generation am Tresen das mit einem teilnahmslosen Glotzen. So der Vorwurf. Klar, das erhitzt die Gemüter.
Auf den Plattformen Tiktok und Instagram kursieren viele Videos, in dem die Gen Z selbst Stellung dazu nimmt oder den Blick satirisch weiterverbreitet. Viele Kunden seien so unfreundlich oder hätten so absurde Bestellungen, dass einem nur der starre Blick übrig bliebe, heißt es in manchen Clips. Andere Nutzer wiederum attestieren den Jüngeren mangelnde soziale Fähigkeiten (durch das Smartphone) oder schlichtweg Desinteresse.

Gibt es das Phänomen des starren, toten Blicks der Jungen wirklich?
Ist an dem „Gen Z Stare“ überhaupt etwas dran? Und was könnte dahinterstecken? Vorneweg: Wissenschaftlich belegt ist er laut Experten (bislang) nicht.
Sozialwissenschaftlerin Gabriele Rohmann, Co-Leiterin des Archivs der Jugendkulturen in Berlin, hält den starren Ausdruck für ein „klischee- und vorurteilsbehaftetes Phänomen“. Sicherlich gebe es junge Menschen, die sich so verhielten. „Ich würde es aber nicht einer ganzen Generation generell zuschreiben“, so Rohmann. „Wir arbeiten täglich mit Jugendlichen auch aus diesem Altersspektrum zusammen und da stellen wir immer wieder eine große Heterogenität fest.“
Auch die Medienethikerin Claudia Paganini von der Universität Innsbruck ist sehr vorsichtig bei der Frage, ob es den starren Blick wirklich gibt, weil dazu keine entsprechenden Daten vorliegen. Für plausibel hält Paganini allerdings eine mögliche Grundannahme hinter dem Blick. Die junge Generation habe gelernt, in viel breiteren Kontexten auf die eigene Inszenierung zu achten - also auch etwa im Kundenkontakt im Café. „Ich halte es schon für plausibel, dass sich einfach die Bewertung, welche Orte öffentlich und deswegen relevant für mein Verhalten sind, wirklich verändert hat“, erläutert sie.
Pokerface, um sich zu schützen?
„Junge Menschen rechnen nicht nur damit, dass ihre Mimik relevant sein könnte, wenn sie neue Menschen auf einer Party kennenlernen, sondern potenziell überall dort, wo sich Kameras auf sie richten können“. Sie seien in einer Zeit aufgewachsen, in der man durchgehend digital dokumentiert werden könne.
Heutzutage könne jeder Gesichtsausdruck in der Öffentlichkeit fotografiert, bei Social Media hochgeladen werden und dann viral gehen, sagt die Expertin. „Deswegen ist eine gewisse Vorsicht oder Reserviertheit - eine Art Pokerface beim Gesichtsausdruck - durchaus nachvollziehbar, denke ich.“
Weniger Mimik, weil man mehr chattet als spricht?
Für sehr gewagt wiederum hält die Professorin die These, dass Menschen, die stark mit Smartphones und neuen Medien aufwachsen, weniger Mimik im Gespräch an den Tag legten, weil sie diese im Chat weniger bräuchten. „Das ist sehr evolutionär gedacht, dass Fähigkeiten, die nicht mehr relevant sind, verkümmern. Das Hauptproblem, das ich hier sehe, ist der sehr kurze Zeitraum für so eine Veränderung.“