Mädchen war zuckerkrank

Emily (13) stirbt auf Klassenfahrt: Jetzt droht ihren Lehrerinnen Knast

Das an Diabetes erkrankte Mädchen war gerade auf Klassenfahrt in London. Trotz mehrerer Hinweise ignorierten ihre Lehrerinnen, dass es der Schülerin zunehmend schlechter ging.

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Die beiden angeklagten Lehrerinnen kommen mit Kapuzen auf den Köpfen neben dem Anwalt Lutz Adam (r.) in den Verhandlungssaal.
Die beiden angeklagten Lehrerinnen kommen mit Kapuzen auf den Köpfen neben dem Anwalt Lutz Adam (r.) in den Verhandlungssaal.Oliver Berg/dpa

Vor vier Jahren stirbt die 13-jährige Emily. Das an Diabetes erkrankte Mädchen war gerade auf Klassenfahrt in London. Trotz mehrerer Hinweise ignorierten ihre Lehrerinnen, dass es der Schülerin zunehmend schlechter ging. Seit Mittwoch müssen sich die beiden Frauen vor Gericht verantworten. Ihnen droht Gefängnis.

Auf der Klassenfahrt im Sommer 2019 in London geht es der 13-Jährigen nach einem Restaurant-Besuch immer schlechter. Emily übergibt sich mehrfach, wird immer schwächer. Ihre Mitschüler schlagen schließlich Alarm, als sie Emily nicht mehr wach bekommen. Das Mädchen ist Typ-1-Diabetikerin. Ihre Mitschüler werfen den Lehrerinnen später vor, sie hätten erst zwei Tage nach Auftreten der Symptome einen Krankenwagen gerufen. Ihr Vater, Kay Schierwagen, eilt sofort nach London. Wenige Stunden später stirbt seine Tochter an einem Herzinfarkt.

Emily wurde nur 13 Jahre alt. Sie starb auf Klassenfahrt.
Emily wurde nur 13 Jahre alt. Sie starb auf Klassenfahrt.Privat

„Es gibt keine Minute, keine Sekunde, an welcher ich nicht an Emily denke“, sagte ihr Vater dem Sender RTL. Er ist traurig, aber auch wütend. „Man hat durch Dummheit und Ignoranz das Leben von Emily, mein Leben und unser aller Leben zerstört. Es ist nichts mehr so, wie es einmal war!“ Vor der Verhandlung, die am Mittwoch vor dem Amtsgericht Mönchengladbach begann, hat er aber trotzdem „ein bisschen Bammel“. Konkret vor dem Moment, wenn er den Lehrerinnen ins Gesicht schauen muss. „Ich habe die Lehrer noch nie gesehen“, sagte er.

Lehrerinnen wird fahrlässige Tötung vorgeworfen

Die beiden Lehrerinnen wurden wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft den 34 und 60 Jahre alten Frauen vor, „sich über die Diabeteserkrankung der Schülerin keine hinreichenden Kenntnisse verschafft zu haben, obwohl sie hierzu als für die Organisation und Durchführung der mehrtägigen Studienfahrt verantwortlichen Lehrkräfte verpflichtet gewesen wären“.

Emilys Vater, Kay Schierwagen, ist beim Prozess im Landgericht Mönchengladbach dabei.
Emilys Vater, Kay Schierwagen, ist beim Prozess im Landgericht Mönchengladbach dabei.Oliver Berg/dpa

Mit dem Wissen, so die Anklage weiter, hätten die Lehrerinnen bei dem Mädchen die Symptome einer akuten Überzuckerung (Ketonazidose) erkannt, eher reagiert und schneller einen Notarzt rufen können. Emily erlag noch vor der Abreise aus London nach extremer Überzuckerung einem Herzinfarkt – einen Monat vor ihrem 14. Geburtstag.

„Jemand übergibt sich die ganze Nacht über, muss man sich da nicht mal kümmern?“, fragte auch der Richter verwundert bei Prozessbeginn. Er machte deutlich, dass sich für das Gericht viele Fragen ergeben. Etwa warum die Lehrerinnen nicht direkt aktiv geworden seien, als Schüler ihnen von Emilys schlechtem Zustand erzählt hätten. Es hätte ja eine Blinddarmentzündung oder eine andere Erkrankung sein können. „Wenn 13-jährige Schüler das erkennen, warum erkennen sie das nicht?“, fragte er.

Die Lehrerinnen gaben an, sie hätten nichts von der Diabetes gewusst. Zudem soll Emily zur Verschlechterung ihres Zustands auch selbst beigetragen haben. Laut Anklage hatte sie auf der Fahrt nicht auf ihre Blutzuckerwerte geachtet und nicht genug Insulin gespritzt.

Der komplexe Fall beschäftigt die Justiz seit langem. Der Vater des Kindes hatte eine Wiederaufnahme der Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach erwirkt. Als das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnte, ging der Mann auch dagegen erfolgreich vor. An den 14 geplanten Verhandlungstagen sollen 22 Zeugen vernommen werden. Darunter sind Schüler, Lehrer, Eltern und Sachverständige.

Bei einer Verurteilung müssen die beiden Lehrerinnen mit Geld- und im schlimmsten Fall sogar mit Freiheitsstrafen rechnen. ■