Wohnen wird auch in Berlin immer teurer – viele können sich ihre normale Wohnung und die Miete nach zahlreichen Erhöhungen kaum noch leisten, träumen von einer günstigeren Miete. Nur: Wo ist es richtig günstig? Den absoluten Tiefpreis findet man in einer Siedlung in Augsburg – hier kostet die Miete 88 Cent pro Jahr. Sie haben richtig gelesen: Weniger als einen Euro Jahresmiete zahlen alle, die in der „Fuggerei“ wohnen. Doch das Leben in der Sozialsiedlung ist an Bedingungen geknüpft.
Irre Miete: Wohnen für nur 88 Cent pro Jahr – wie geht das denn?
Bei der Fuggerei in Augsburg handelt es sich um eine der ältesten Sozialsiedlungen der Welt – die Bürger, die hier leben, bezahlen eine Jahreskaltmiete von 0,88 Euro. Aber warum? Die Siedlung blickt auf eine lange Geschichte zurück. Vor 500 Jahren lebte im Augsburger Stadtteil Jakobervorstadt-Süd die sozial niedrigste Schicht. Im 16. Jahrhundert wurden Menschen, die nichts besaßen, laut Berichten in Augsburg sogar am Stadttor abgewiesen. Die Situation war dem reichen und gläubigen Kaufmann Jakob Fugger ein Dorn im Auge.
Seine Lösung: Er stiftete 52 Wohnungen in sechs Gassen als Wohnsiedlung für die Ärmsten der Armen. In jedem Haus waren zwei Wohnungen untergebracht. Die Idee dahinter: Hier sollten unter anderem von Armut bedrohte Handwerker und Tagelöhner wohnen – sollten es ihnen gelingen, sich aus ihrer finanziellen Krise zu befreien, sollten sie wieder ausziehen. Mehrmals im Verlauf der Geschichte wurde die Fuggerei zerstört, unter anderem im zweiten Weltkrieg, doch jedes Mal wurde die Siedlung wieder aufgebaut. In den 70er-Jahren wurde die Fuggerei sogar erweitert: Heute besteht die Sozialsiedlung aus 67 Häusern mit 140 Wohnungen, in denen rund 150 bedürftige und katholische Augsburger leben.

Hier kann allerdings längst nicht jeder einziehen. Die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist Grundvoraussetzung – und natürlich die Bedürftigkeit. Wer sich bewerben möchte, wird im persönlichen Gespräch etwa von Sozialpädagogen unter die Lupe genommen. „Dann schauen die auch: Gibt es neben der reinen finanziellen Bedürftigkeit weitere Bedürftigkeiten. Das heißt: Wird man gerade aus seiner Wohnung rausgeklagt? Droht Obdachlosigkeit?“, sagte Wolf-Dietrich Graf von Hundt, der Administrator der Fuggerschen Stiftung, gegen über „Deutschlandfunk Kultur“.


Die Fuggerei finanziert sich aus dem Vermögen der Stiftung und den Tourismus
Finanziert wird die Sozialsiedlung aus dem Vermögen der Stiftung, das etwa aus Wäldern besteht, die bewirtschaftet werden. Außerdem ist der Tourismus eine Einnahmequelle: Die Siedlung kann besucht und besichtigt werden, Gäste müssen aber Eintritt bezahlen. Die Fuggerei ist eine kleine Stadt in der Stadt, hat eine eigene Kirche und mehrere Stadttore. Nur noch eines ist für Besucher geöffnet, es wird zwischen 22 Uhr 5 Uhr von einem Nachtwächter geschlossen. Bewohner der Fuggerei müssen eine Obulus von 50 Cent zahlen, wenn sie bis Mitternacht durch das Tor zurückkehren, danach einen Euro.
Die Miete kostet 88 Cent pro Jahr – und wie teuer sind die Nebenkosten?
Übrigens: Wer hier für 88 Cent im Jahr lebt, der muss aber nicht nur hinnehmen, dass die Decken der Häuser sehr niedrig sind – sondern auch täglich ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria für den Stifter und die Stifterfamilie Fugger beten. Ob die Gebete wirklich gesprochen werden, wird zwar nicht geprüft. Doch die meisten dürften sich schon aus Dankbarkeit daran halten. Und falls Sie sich noch fragen, wie der seltsame Mietpreis zustande kommt: Die Miete von 88 Cent entspricht dem Wert eines Rheinischen Gulden – und die Nebenkosten belaufen sich auf 85 Euro pro Jahr.