Beliebte Schultüten wie in der DDR

Zuckertüten im Osten sind größer als im Westen

Die mit süßen Leckereien prall gefüllte Tüte erfreut noch immer die kleinen Schulanfänger. Deutschlands älteste Zuckertütenfabrik ist in Sachsen, feiert 130. Geburtstag – und boomt

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Zuckertüten der Firma Nestler, Jungs mögen Motive mit Fußball und Dinosauriern, Mädchen stehen auf Einhörner und Schmetterlinge.
Zuckertüten der Firma Nestler, Jungs mögen Motive mit Fußball und Dinosauriern, Mädchen stehen auf Einhörner und Schmetterlinge.Sylvio Dittrich/imago

Sie wirken kaum kleiner als die Kinder, die sie in den Händen tragen. Sie sind spitz, aus Pappe und prall gefüllt mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken. Zuckertüten gehören für viele Familien auch in diesen Tagen zur Schulanfangsfeier. Und Millionen von ihnen kommen aus Sachsen.

In der Fabrik von „Nestler Feinkartonagen“ in Ehrenfriedersdorf im Erzgebirge stapeln sie sich in allen vorstellbaren Farben. Zwei Millionen Stück werden hier pro Jahr hergestellt, sagt Bettina Nestler, die das Familienunternehmen zusammen mit ihrer Mutter führt. Und das hat eine lange Tradition: In diesem Jahr feiert die Zuckertütenfabrik mit ihren aktuell 50 Mitarbeitern den 130. Geburtstag. „Damit sind wir die älteste Firma Deutschlands, die diese industriell herstellt.“

Zwei Millionen Schultüten produziert die Firma im Jahr

Bettina Nestler (vorn) von „Nestler Feinkartonagen“ in Ehrenfriedersdorf schaut sich Zuckertüten der aktuellen Produktion an.
Bettina Nestler (vorn) von „Nestler Feinkartonagen“ in Ehrenfriedersdorf schaut sich Zuckertüten der aktuellen Produktion an.Hendrik Schmidt/dpa

Alle Entwürfe der Zuckertüten der Fabrik, die bei Mädchen und Jungen anderswo eher als Schultüten bekannt sind, stammen aus dem Hause Nestler. Die bedruckten Papiere werden auf Papprohlinge gewickelt und in Handarbeit verziert. Designs mit Fußbällen oder Dinosauriern kommen bei Jungs gut an; Einhörner, Pferde oder spezielle Spielfiguren stehen bei Mädchen schon seit Jahren hoch im Kurs. Dazu gibt es oft Glitzer- oder Leuchteffekte. „Gestalterische Trends ändern sich, die Beliebtheit der Tüte aber nicht“, sagt Bettina Nestler. Auch wenn bei einigen Familien im Alltag das Geld knapp sei. „Beim Schulanfang und der Zuckertüte wird nicht gespart. Unsere Auftragslage ist seit Jahren stabil.“ Zwischen 20 und 30 Euro kosten Nestler-Zuckertüten, die an Supermärkte und den Einzelhandel geliefert werden.

Noch immer zählen Familien aus Ostdeutschland und besonders aus Sachsen und Thüringen zum größten Kundenkreis. Kein Wunder, meint Bettina Nestler. Denn der Brauch mit der Zuckertüte soll sich in dieser Region entwickelt haben. 1894 gründete ihr Vorfahre Carl August Nestler die Firma in Wiesa. „Die genaue Geschichte der Zuckertütenherstellung in der Region liegt im Dunkeln.“ Die Entstehung des Brauches reiche weit zurück bis ins 18. Jahrhundert. „Viele Informationen und Materialien wurden später in der DDR oft durch Enteignung zerstört“, berichtet die Firmenchefin.

Firmenchefin Bettina Nestler zeigt Zuckertüten aus den 1960er Jahren (links) und ein Exemplar aus der späten DDR-Zeit.
Firmenchefin Bettina Nestler zeigt Zuckertüten aus den 1960er Jahren (links) und ein Exemplar aus der späten DDR-Zeit.Hendrik Schmidt/dpa

Unterschiede bei der Zuckertüte Ost und West

Auch bei der Zuckertüte gibt es Unterschiede in Ost und West. In Ostdeutschland sei sie üblicherweise 85 Zentimeter hoch und sechseckig, erklärt Lukas Roth von der Roth GmbH, einem weiteren Hersteller in Sachsen. Die westdeutsche Variante hingegen messe 70 Zentimeter und sei mit einer runden Öffnung ohne Tüll-Verschluss ausgestattet. „Wir stellen beide her und beliefern Kunden in ganz Deutschland“, sagt der Geschäftsführer der Firma in Lichtentanne (Landkreis Zwickau).

Bei Roth entstehen seit über 30 Jahren jede Saison mehrere Hunderttausend Stück in unterschiedlichsten Größen, Formen und Designs – neben anderen Papierprodukten. „Es ist eine angenehme Branche, mit positiv gestimmten Kunden. Kinder erinnern sich meist ein Leben lang gerne an ihre Schultüte“, sagt der Chef. Schon heute richtet sich der Blick auf die Produktion für das nächste Jahr. Katrin Mädler ■