Gegen Scheinselbständigkeit

Regeln für Lieferdienste: EU geht härter gegen Uber, Bolt und Co. vor

Die EU-Staaten wollen mit strengeren Vorgaben Sozialdumping verhindern und Online-Plattformen wie Wolt und Uber besser regulieren.

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Der Fahrer eines Lieferdiensts fährt über eine Brücke. Die EU-Staaten wollen mehr Arbeitnehmerrechte bei einigen Online-Plattformen durchsetzen.
Der Fahrer eines Lieferdiensts fährt über eine Brücke. Die EU-Staaten wollen mehr Arbeitnehmerrechte bei einigen Online-Plattformen durchsetzen.Sebastian Gollnow/dpa

Millionen Lieferdienst- und Taxifahrer großer Online-Plattformen können auf bessere Arbeitsbedingungen hoffen. Die EU-Staaten sprachen sich für neue Vorgaben aus, um Scheinselbstständigkeit besser zu verhindern, wie die belgische EU-Ratspräsidentschaft am Montag mitteilte. Das Europaparlament muss dem Vorhaben noch zustimmen. Eine Mehrheit ist aber wahrscheinlich.

Den Angaben der EU-Staaten zufolge arbeiten knapp 30 Millionen Menschen in der Europäischen Union als sogenannte Plattformarbeiter. Wenn künftig Indizien etwa auf eine Kontrolle der Mitarbeiter vorliegen, wird den neuen Regeln zufolge angenommen, dass sie Beschäftigte und keine Selbstständigen sind. Die Beweispflicht liege bei den Plattformen - sie müssten beweisen, dass kein Beschäftigungsverhältnis bestehe. Beschäftigte können den Angaben zufolge auch besseren Zugang zu Bezahlung bei Krankheit, Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder Einkommensunterstützung erhalten.

Zudem soll verboten werden, dass automatisierte Überwachungs- oder Entscheidungsfindungssysteme bestimmte Daten verwenden. Dazu zählen biometrische Daten oder der emotionale oder psychologische Zustand von Mitarbeitern. Zu höheren Preisen bei den Kundinnen und Kunden soll die neue Richtlinie zumindest bei Essenslieferant Lieferando nicht führen. Das Unternehmen stelle bereits alle Fahrer regulär an, „mit allen entsprechenden Bezügen und Rechten für die Beschäftigten“, teilte Lieferando jüngst mit. „Dementsprechend halten wir die Richtlinie für kostenneutral umsetzbar, zugunsten besserer Branchenstandards.“

Lieferando begrüßt es, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten für diese Gesetzgebung gestimmt hat. „Sie wird es den Nationalstaaten erleichtern, Scheinselbständigkeit zu bekämpfen und die Bedingungen innerhalb unseres Sektors anzugleichen“, erklärte ein Sprecher dem KURIER.

Uber ist für nationale Gesetze, die Schutz bieten und die Unabhängigkeit der Fahrer wahren

Der Fahrdienstleister Uber teilte mit, der Status der Mitarbeiter werde von Land zu Land und von Gericht zu Gericht entschieden. Man fordere die EU-Länder auf, nationale Gesetze zu schaffen, die Schutz böten und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Fahrer wahren würden. Zudem hieß es: „In Deutschland arbeiten wir - unter Berücksichtigung der hiesigen Gesetzeslage – ausschließlich mit Liefer- und Flottenpartnern zusammen, bei denen die Kuriere und Fahrer angestellt sind.“ Andere Plattformen wie „freelancer.com“ reagierten zunächst nicht auf das Abstimmungsergebnis.

Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Parlaments bereits zweimal auf einen Kompromiss geeinigt. Die Deals platzen aber wieder, und es brauchte weitere Gespräche. Dabei war es vor allem schwierig, innerhalb der EU-Staaten eine Mehrheit zu finden, was auch an der Bundesregierung scheiterte.

Kritik an Abstimmungs-Enthaltung Deutschlands

Berlin enthielt sich bei der Entscheidung am Montag, weil es unterschiedliche Ansichten zu dem Vorhaben gibt. So hatten sich vor allem FDP-Vertreter gegen das Gesetz ausgesprochen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am Montag dem Portal Politico, er bedaure das Abstimmungsverhalten sehr. Es sei wichtig, dass Digitalisierung im Arbeitsleben nicht mit Ausbeutung verwechselt werde. Dass die neue Richtlinie dennoch eine Mehrheit fand, begrüßte Heil. Kritik am deutschen Abstimmungsverhalten kommt auch von den Grünen. „Dies ist ein Versagen von Bundeskanzler Scholz“, sagte der Europaabgeordnete Rasmus Andresen. Die neuen Regeln seien ein riesiger Erfolg.■