Esprit insolvent

Machen Shein und Temu die deutsche Modeindustrie kaputt?

Durch die chinesischen Billiganbieter geraten heimische Modeketten unter Druck. Doch es gibt noch andere Probleme. Der Niedergang der Firma Esprit steht dafür beispielhaft.

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Esprit galt einst als starke Marke, verlor über die Jahre aber immer mehr Kunden. Dafür sind auch Onlinehändler wie Shein und Temu mitverantwortlich – aber nicht allein.
Esprit galt einst als starke Marke, verlor über die Jahre aber immer mehr Kunden. Dafür sind auch Onlinehändler wie Shein und Temu mitverantwortlich – aber nicht allein.Sebastian Kahnert/dpa

Es war ein heftiger Schock für Kunden und Mitarbeiter von Esprit. Am Freitag verkündete die Modekette das Ende für sämtliche Filialen in Deutschland. Nur der Markenname wurde von einem Investor gekauft. Was von der Marke übrig bleibt, ist bisher unklar. Dabei ist Esprit aber bei weitem nicht die einzige Firma, die derzeit in der Krise steckt oder ihr zum Opfer fällt.

Die Modebranche erlebt schwierige Zeiten, zuletzt gab es eine ganze Pleitewelle. So meldeten unter anderem der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof (KURIER berichtete), der Düsseldorfer Modehändler Peek & Cloppenburg, der Modehersteller Gerry Weber und der deutsche Ableger der Modemarke Scotch & Soda Insolvenz an. Die Händler leiden seit längerem unter der Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Beim Kauf von Bekleidung sparen Verbraucher laut einer kürzlich veröffentlichten Idealo-Umfrage stärker als bei anderen Konsumgütern.

Arbeiter in einer chinesischen Fabrik stellen Textilien für den Onlinehändler Shein her.
Arbeiter in einer chinesischen Fabrik stellen Textilien für den Onlinehändler Shein her.Jade Gao/AFP

Shein und Temu machen deutschen Modeketten Konkurrenz

Besonders sogenannte Fast-Fashion-Anbieter machen den hiesigen Modeketten zu schaffen. Immer mehr Konsumenten kaufen im Internet. Asiatische Anbieter wie Shein und Temu erhöhen mit ihren günstigen Angeboten den Druck und verdrängen einen Teil des Preiseinstiegssegments. Die Billig-Preise animieren viele Kunden, häufig zu bestellen und Klamotten schneller zu entsorgen. 

Dabei sind manche der Textilien von Shein gerade erst durch einen Test der Zeitschrift Öko-Test gefallen. Anfragen zur Einhaltung von Mindeststandards wurden nicht beantwortet. Von 21 getesteten Produkten, enthielten sieben kritische Chemikalien. Ein paar Herrensandalen überschritten einen Grenzwert dabei sogar um das 22-fache.

Ein Produkt enthielt sogar eine Chemikalie, die beim Verschlucken in Dosen ab 200 Milligramm Nierenversagen verursachen kann. Nach Bekanntwerden der Ergebnisse, versprach das Unternehmen, die Produkte aus dem Verkauf zu nehmen und zu überprüfen.

Shein hat trotz häufiger Kritik seinen Kundenstamm seit 2017 von 2,2 Millionen weltweiten Kunden auf 88,8 Millionen im Jahr 2023 erhöht. 

Die Europa-Zentrale von Esprit in Ratingen muss ebenfalls schließen.
Die Europa-Zentrale von Esprit in Ratingen muss ebenfalls schließen.Bernd Thissen/dpa

Onlinehandel flaut ab – bleibt aber stark

Der Online-Boom ist mittlerweile zwar abgeflaut, aber der Anteil hat sich auf hohem Niveau etabliert, vor allem bei Mode und Kleidung. 20 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel des gesamten Online-Umsatzes in Deutschland entfallen auf diese Branche, wie Zahlen im kürzlich vom Handelsverband veröffentlichten Online-Monitor zeigen. Der Online-Anteil am Gesamtmarkt für Mode und Kleidung liegt demnach bei mehr als 40 Prozent – so viel wie in keinem anderen Bereich. Die stationären Umsätze hingegen sind seit 2019 um rund 17 Prozent gesunken.

Doch allein die chinesische Billigkonkurrenz war es nicht, die Esprit den Todesstoß versetzt hat. Wie andere Einzelhandelsunternehmen litt das Unternehmen unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Der Konzern hatte im Frühjahr 2020 ein Schutzschirmverfahren für mehrere deutsche Gesellschaften beantragt. Die Umsätze des Einzelhandels mit Textilien, Bekleidung und Schuhen lag zuletzt zwar wieder geringfügig über denen von 2019. Viele Händler verdienen jedoch deutlich weniger, wegen der deutlich gestiegenen Kosten für Energie, Personal und Mieten.

Von der „Riesennummer“ zum Pleitegeier

Im stationären Handel werde weniger Umsatz auf derselben Fläche erwirtschaftet, sagt Experte Marco Atzberger vom EHI Retail Institute. Große Anbieter wie Zara und H&M hätten deshalb vor Jahren begonnen, die Zahl ihrer Geschäfte zu reduzieren. „Andere Anbieter haben erst später reagiert oder können aufgrund laufender Mietverträge nicht schnell reagieren.“

Dadurch komme es bei bekannten Marken zu Schieflagen und Insolvenzen, zum Beispiel bei Esprit. Im Jahr 2010 gab es weltweit noch mehr als 1100 eigene Geschäfte, 2023 nur noch 147. In Deutschland hatte der Konzern 2011 knapp 180, inzwischen sind es weniger als 60. Daneben gab es zuletzt weitere etwa 60 Franchise-Stores. Die meisten wurden in der Vergangenheit von der PTH Group betrieben. Der Mode-Franchiser hat seinen Vertrag mit Esprit jedoch bereits im Frühjahr gekündigt und zahlreiche Geschäfte in andere Formate umgewandelt. Was aus den restlichen Franchise-Stores wird, ist bisher nicht bekannt, wie Esprit mitteilte.

Keine klare Marke mehr - weil es auch aus Asien gesteuert wurde

Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf sagt: „Die Marke ist sehr populär und galt mal als Kult. Aber die alte Strahlkraft ist nicht mehr da. Es ist nicht mehr ganz klar, wofür Esprit steht.“ Das bestätigen auch andere: „Vor 30 Jahren war Esprit eine Riesennummer, vielleicht die strahlendste Marke in Deutschland“, sagt der Geschäftsführer des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren, Axel Augustin. 

Am Ende gilt als strategischer Nachteil in der Fachwelt auch, dass auch die als deutsche Modekette geltende Firma zuletzt selbst von Asien aus gesteuert wurde. Die Esprit-Zentrale liegt in Hongkong. Entscheidungen würden in Asien getroffen und der europäische Markt vernachlässigt, sagt Johannes Berentzen von der Handelsberatung BBE. Weit weg also von den europäischen Kunden. „Dafür bekommen die Investoren jetzt die Quittung.“ ■