Flausch mit Herz

Diese Frau macht aus Hundehaaren ganz besondere Erinnerungsstücke

Svenja Suhr verwandelt das Fell von Hunden in weiche Schals und Tücher. Was schräg klingt, ist für viele eine emotionale Erinnerung – und ein Geheimtipp für kühle Tage.

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Die Weberin Svenja Suhr spinnt in ihrer Handweberei „Weberschiffchen“ Wolle aus Hundehaaren.
Die Weberin Svenja Suhr spinnt in ihrer Handweberei „Weberschiffchen“ Wolle aus Hundehaaren.Jens Kalaene/dpa

Ein zarter Flausch legt sich über die Schultern von Svenja Suhr. Ihr selbstgestricktes Dreieckstuch mit Blattmuster wirkt, als sei es aus feinster Angorawolle gefertigt. Doch was aussieht wie Luxusgarn, stammt in Wahrheit von tierischen Mitbewohnern mit treuem Blick und wedelndem Schwanz: Hunden.

Suhr, die eine kleine Weberei in Oranienburg betreibt, hat sich auf ein außergewöhnliches Handwerk spezialisiert. Sie spinnt Garn aus Hundehaaren – und das mit wachsender Begeisterung. Schals, Stulpen, Tücher: Alles entsteht aus dem, was andere achtlos auskämmen. Viele reagieren zunächst irritiert, wenn sie erfahren, woraus die weichen Fasern tatsächlich bestehen. Doch das Erstaunen weicht oft schnell der Faszination.

„Leonberger, Golden Retriever oder Samojeden haben tolles Fell und eine tolle Unterwolle“, erklärt Suhr. Die Unterwolle dieser Rassen sei nicht nur besonders kuschelig, sondern halte auch deutlich wärmer als klassische Schafwolle. Kurzhaardackel hingegen sind eher ungeeignet. Ihre Haare sind schlicht zu kurz, um daraus spinnbare Fasern zu gewinnen.

Was für Suhr Alltag ist, bedeutet für ihre Kunden oft Emotion pur. Viele bringen ihr das Fell geliebter Vierbeiner – als Erinnerung, als Andenken. So auch Julia Stellner aus dem Odenwald. Die 29-Jährige schickte ein ganzes Paket voller Simba-Haare nach Brandenburg.

Ihre Hündin, eine Mischung aus Golden Retriever und Husky, verliert beim Bürsten regelmäßig flauschige Mengen Fell. Ein Kilo sammelte Stellner, daraus machte Suhr 800 Gramm Wolle. Stellner will daraus einen Pullover stricken – ein ganz persönliches Erinnerungsstück für die Zeit, wenn Simba einmal nicht mehr da sein sollte.

Seit Jahren spinnt Suhr Garn aus Hundehaaren und strickt daraus auch Schals, Stulpen und andere Accessoires.
Seit Jahren spinnt Suhr Garn aus Hundehaaren und strickt daraus auch Schals, Stulpen und andere Accessoires.Jens Kalaene/dpa

Die Herkunft der Haare ist dabei fast so vielfältig wie die Hunde selbst. Pakete erreichen Suhr aus allen Teilen Deutschlands, manchmal sogar aus der Schweiz. Doch bevor aus den Haaren Garn wird, muss gründlich gereinigt werden. Blätter, Steinchen – sogar Muscheln hat Suhr schon in den Fellen gefunden. Mit speziellem Fellshampoo befreit sie die Fasern nicht nur von Schmutz, sondern auch von Gerüchen – zumindest für menschliche Nasen. Hunde wittern ihre Artgenossen trotzdem.

Pullover kann man nur schlecht aus Hundehaaren machen

Seit 2016 spinnt Suhr Hundehaare professionell. Die Idee entstand aus einem Geschenk – ein Beutel voller Fell, den ihr jemand überließ. Der Rest ist Handarbeit und Leidenschaft. Historisch ist das übrigens gar nicht so ungewöhnlich: Schon in der Vorzeit wurden Wolfshaare zu Textilien verarbeitet. Im niederländischen Freiheitsmuseum kann man sogar einen Pullover aus dem Fell eines Wolfsspitzes bewundern – ein Relikt aus den Mangeljahren des Zweiten Weltkriegs.

Die fertigen Produkte aus den Hundehaaren sehen dann so aus.
Die fertigen Produkte aus den Hundehaaren sehen dann so aus.Jens Kalaene/dpa

Suhr selbst hat sich noch nie an einen Pullover aus reiner Hundewolle gewagt. Der Grund: Die glatte Struktur der Haare führt dazu, dass solche Strickstücke schnell aus der Form geraten. „Wenn man jetzt einen Pullover aus 100 Prozent Hundewolle strickt, hängt der nach dem Tragen bald auf dem Fußboden. Der wird immer länger und nach dem Waschen wird es noch schlimmer“, sagt sie. Ein Anteil von mindestens 20 Prozent Schafwolle sorge für mehr Stabilität.

Und sie ist experimentierfreudig: Auch Katzenhaare hat sie bereits verarbeitet – allerdings mit deutlich mehr Aufwand. Die Fasern seien fein, kurz, glatt – eine echte Herausforderung für das Spinnrad.

Bevor sie die Liebe zur Handarbeit zum Beruf machte, arbeitete Suhr 30 Jahre lang als Krankenschwester. Heute lebt sie ihre kreative Ader in ihrer Weberei aus – zwischen Spindel, Garn und ganz viel Herz für Tiere. Wer im nächsten Winter in ein flauschiges Stück Hundewolle gehüllt sein will, sollte übrigens rechtzeitig anfangen zu sammeln. Die Wartezeit in Spinnereien kann mehrere Monate betragen. ■