Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sorgt für erhitzte Diskussionen. Obwohl die Straftaten insgesamt zurückgingen, stieg der Anteil von tatverdächtigen Ausländern, denen eine Straftat zur Last gelegt wird. Die Frage, um deren Antwort sich das Zahlenwerk des Bundeskriminalamts (BKA, PDF, externer Link) herumdrückt: Sind in Deutschland lebende Zugewanderte tatsächlich krimineller als Deutsche?
Brisante Feststellung in der aktuellen Kriminalstatistik: Der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger ist bundesweit um 7,5 Prozent angestiegen. So ganz wohl ist dem BKA bei dieser Feststellung nicht, denn er warnt zugleich davor, aus dieser Zahl voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen – denn mehrere Faktoren verzerren die Statistik: Die Anzahl von Zugewanderten insgesamt ist unter anderem durch Fluchtbewegungen gestiegen – das allein stützt allerdings die Wahrnehmung einiger Menschen, Zuwanderung bringe einen Zuwachs an Kriminalität. Das BKA allerdings verweist auf Studien, denen zufolge Taten weit häufiger zur Anzeige gebracht wird, wenn angenommen wird, der mutmaßliche Täter sei Ausländer.
Kriminalstatistik 2024: Die meisten angezeigten Straftaten führen nicht zur Verurteilung
Das wiederum wollen viele Menschen überhaupt nicht hören, die durch Nachrichten über Messerkriminalität, Anschläge und Clan-Aktivitäten verunsichert sind. Sie erwarten von der Polizeistatistik Antworten. Doch was sind überhaupt die dort gelisteten 5,83 Millionen „registrierten Straftaten“? Mit „registriert“ meinen die Polizeiermittler, dass eine mutmaßliche Tat angezeigt – nicht, dass diese einem möglichen Täter nachgewiesen wurde oder dieser dafür verurteilt wurde. Die überwiegende Mehrzahl von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren – 2023 waren es 59 Prozent – wird ohne Verurteilung eingestellt, zumeist wegen Geringfügigkeit.
Dieser Hinweis richtet sich auch auf die eigene Polizeiarbeit: Die Polizeien sehen sich immer wieder dem Vorwurf des ‚racial profiling‘ ausgesetzt, zumal Ausländer wegen Delikten angezeigt werden können, die Deutsche überhaupt nicht begehen können: vor allem illegaler Grenzübertritt und Verstöße gegen polizeiliche Meldevorschriften.
Tatverdächtige Ausländer sind nicht nur Zugewanderte, Frauen und Ältere nur selten tatverdächtig
Kritiker der Polizeistatistik verweisen auf die schwammige Verwendung des Begriffe „Ausländer“ und „Zuwanderer“: Es wird nicht klar unterschieden zwischen hier lebenden Zugewanderten und Personen, die etwa aus Osteuropa gezielt zum Verüben von Straftaten einreisen und vor der Ausreise vor der Grenze etwa mit Diebesgut aufgegriffen werden.
Der Mediendienst Integration hat sich genauer angeschaut, was es mit Vorwürfen gegenüber vermeintlich kriminellen Zugewanderten auf sich hat. Die Zahl von 5 Prozent von mutmaßlich straffälligen Zuwanderern umfasst nicht nur hier lebende Menschen; sie wird von Eingereiste, die sich möglicherweise als Berufskriminelle herausstellen – oder als zu Unrecht Verdächtigte. Wie hoch die Zahl tatsächlich straffälliger, hier lebender Zugewanderter tatsächlich ist, geht aus der PKS nicht eindeutig hervor.

Ein Faktor stärkt die Wahrnehmung einer erhöhten Kriminalitätsrate unter Zugewanderten: Es gibt mehr junge Männer als bei der deutschen Bevölkerung, und diese geraten dadurch überproportional häufig in den Fokus der Ermittler, völlig unabhängig davon, ob sich ein Tatverdacht erhärtet oder nicht.
Aber soviel steht fest: bei tatverdächtigen Zugewanderten geht es weder um Frauen noch um Ältere, sondern eine klar eingrenzbare Gruppe: sie sind unter 30 und zu drei Viertel männlich. Kriminologen sprechen völlig unabhängig von der Herkunft von „kriminologisch relevanten“ Alter und Geschlecht. Auch zu dieser Gruppe zählende Männer unter 30 treten häufiger bei Straftaten in Erscheinung als Ältere oder Frauen.
Kriminalstatistik: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Kriminalität?
In migrationskritischen Kreisen wird häufig damit argumentiert, dass Angehörige bestimmter Kulturen straffällig würden – gemeint sind islamische Länder. Ein Blick auf die Zahlen legt allerdings andere Gründe und Zusammenhänge nahe. So fällt auf, dass geflüchtete Ukrainer eher selten straffällig oder tatverdächtig werden. Schaut man näher hin, fällt auf, dass unter den 1,2 Millionen Geflüchteten und Vertriebenen aus der Ukraine 63 Prozent Frauen sind, die unabhängig von Herkunft selten in der Kriminalstatistik auftauchen.
Überdurchschnittlich häufig treten überwiegend männliche Personen der Maghrebstaaten Algerien, Marokko, Tunesien, allerdings auch aus Georgien und Moldawien in Erscheinung – letztere beide Länder, in der die meisten Menschen Christen oder christlich-orthodox sind. Aufschlussreicher ist das Ergebnis einer Studie, das einen Zusammenhang zwischen Aufenthaltsstatus und Kriminalität zieht: Unabhängig von der Herkunft ist ein sicherer Aufenthaltsstatus ein Faktor, der Menschen weniger anfällig für Straftaten macht.
Ein unsicherer Aufenthaltsstatus wie eine Duldung ist dagegen ein Faktor, der vor allem junge Männer statistisch stärker strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Das wiederum deckt sich damit, dass Personen aus Marokko, Tunesien, Georgien oder Moldawien nur geringe Chancen auf Anerkennung haben, während Ukrainer automatisch als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden.
Opfer von Gewalttaten, die von Geflüchteten begangen werden, sind überdurchschnittlich häufig andere Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund. Im Fokus der Polizeistatistik steht ein Tatort, an dem sich nur wenige Deutsche aufhalten: Asylbewerberunterkünfte. Forscher halten beengte Wohnverhältnisse, Spannungen zwischen einzelnen Gruppen und individuell schwierige Lebensverhältnisse für Faktoren, die Gewalttaten begünstigen. ■