Die Nase läuft, die Lunge krampft. Für Heuschnupfengeplagte hat die schlimmste Zeit des Jahres begonnen. Wenn die Temperaturen steigen und es frühlingshaft wird, heißt das für Allergiker: Die Pollen fliegen wieder, von Tag zu Tag mehr. Gerade sind die Pollen von Erle, Hasel und ersten Gräsern in der Luft unterwegs. Mit einer App will die Charité betroffenen Berlinern helfen.
„Pollenius“ heißt das Helferlein, das Betroffene sich in den App-Stores kostenlos herunterladen können. Einmal installiert können Berliner Allergiker nach Eingabe von Postleitzahl und Alter mit der App stundenaktuell nachvollziehen, wie stark welche Pflanzen in der Hauptstadt gerade blühen. Dazu bietet die App zusätzlich ein Symptom-Tagebuch, das die Diagnose und Behandlung eines Heuschnupfens unterstützen soll.
Erlen-Pollen: Drei von vier roten Balken in der Charité-App
Drei (von vier) roten Balken in der App: Die Pollen der Erle fliegen am Freitagvormittag am meisten durch die Berliner Luft. Auch bei der Hasel gab es bis 6 Uhr morgens drei rote Ausschläge, danach wurden es weniger. Gräserpollen fliegen zurzeit nur ganz früh am Morgen. Gemessen werden die Werte mit einer Pollenfalle: Und der Standort erklärt auch, warum „Pollenius“ nur Berlinern helfen kann. Die Pollenfalle steht auf dem Tempelhofer Feld.
Aufmerksame Spaziergänger werden sich schon gewundert haben: Was steht das für ein merkwürdiger, mit Gurten gesicherter Kasten auf dem rot-weiß-karierten Gebäude? Das kühlschrankgroße Gerät zählt rund um die Uhr automatisiert aus, wie viel Blütenstaub von welcher Pflanze gerade durch die Hauptstadt fliegt.

Durch ein Rohr angesaugt, sammelt die Pollenfalle die Körner in seinem Inneren und bestimmt sie per KI-gestützter Bildanalyse. Nur drei Stunden später und damit besonders schnell sind die Daten über die Pollenius-App abrufbar – ausgegeben werden die Ergebnisse zu den acht allergierelevantesten Gewächsen, also Ambrosia, Beifuß, Birke, Erle, Esche, Gräser, Hasel und Roggen.
„Pollenflugangaben in anderen Wetter-Apps basieren auf Modellierungen, die oft ungenau sind“, erklärt Dr. Stephanie Dramburg, Leiterin des Forschungsprojekts „#berlinbreathing“ von der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin der Charité.
Pollenius ist Teil eines Forschungsprojektes, das Allergiesymptome untersucht. Ziel soll ein Modell sein, das Allergikern individuelle Vorhersagen liefert – etwa wie sich die Symptome entwickeln oder wann ein Aufenthalt im Freien eher vermieden werden sollte. Dieses Modell soll am Ende in die App integriert werden.
Die Wissenschaftler interessiert etwa, wann die Allergiesymptome besonders stark sind. Das hänge nämlich nicht immer nur von der Anzahl der Pollen, sondern auch von ihrer Beschaffenheit ab. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Projektpartner ist das Zentrum Allergie und Umwelt in München.
Pollenius: Allergie-Tagebuch hilft Betroffenen
App-Anwender können in einem Allergie-Tagebuch Symptome, eingenommene Medikamente und die im Freien verbrachte Zeit notieren. „Die App zeigt die Pollenkonzentration, die Symptomschwere und die Einnahme von Medikamenten übersichtlich im Kurvenverlauf an“, sagt Stephanie Dramburg. „Das kann für Betroffene sehr hilfreich sein, um ihre eigene Reaktion auf verschiedene Pollenarten besser kennenzulernen. Es unterstützt aber auch die allergologische Praxis bei der Diagnostik und Therapieoptimierung, wenn Betroffene dort ihre Pollenius-Verlaufsdaten ins Gespräch bringen.“
Gleichzeitig können die App-Nutzer laut Charité die Forscher unterstützen, wenn sie ihre Daten spenden – also die Erlaubnis geben, die Daten online weiterzugeben. „Wir hoffen, dass viele Berlinerinnen und Berliner möglichst täglich ihre Symptome in der Pollenius-App festhalten und an uns senden“, betont Stephanie Dramburg. „Das ist wichtig für die Qualität der Datenreihen, jeder Eintrag dauert weniger als eine Minute.“ Sobald das Modell entwickelt ist, soll es in die Pollenius-App integriert werden.
Die kostenfreie App erhebt keine personalisierten Daten, eine Registrierung ist nicht notwendig. Eingaben werden ausschließlich bei Verwendung der Datenspende-Option anonym übermittelt. Die App ist über den Google Playstore und den App Store von Apple erhältlich.