Ein Muttersöhnchen rastet aus, geht auf Mama los. Auf dem Flur im Moabiter Kriminalgericht liegen sie sich in den Armen.
Nikita J. (22) als Messer-Mann auf der Anklagebank. Kaum zu glauben, dass ein Jüngelchen wie er zu einem blutigen Angriff fähig sein kann. Elfenhaft wirkt er, zart und schmal, verhuscht. Mit Mama (64) ging er nun in den Saal, Hand und Hand. Sie richtete ihm die langen Haare, drückte ihn noch mal.
Es geschah am Neujahrstag. Die ersten 22 Stunden im Jahr 2025 vorbei, da kam Nikita J. aus seinem Zimmer in der gemeinsamen Wohnung in Berlin-Charlottenburg. Ein Küchenmesser in der Hand, die Klinge zwölf Zentimeter lang. Ein Stich in die linke Schulter, die Mutter entsetzt. Die Stichwunde musste im Krankenhaus versorgt werden.
Der Sohn, dem bislang nicht viel gelang. Schule nicht beendet, keinen Beruf erlernt. Hotel Mama genossen. Dann die Attacke. Nachbarn riefen damals die Polizei.
Der Verteidiger: „Es tut ihn wahnsinnig leid. Er hat keine Erklärung dafür, wie es dazu kommen konnte. Seine Gedankenwelt war eingeengt.“ Ziele hätten ihm gefehlt – „er will nun die Schule beenden, er geht regelmäßig mit seiner Mutter ins Museum oder in die Bibliothek“.
Muttersöhnchen leidet an einer depressiven Störung
Der Staatsanwalt geht von psychischen Problemen aus: „Er leidet an einer depressiven Störung.“ Es bestehe Gefahr von Wiederholung: „Derzeit ist er gefährlich für die Allgemeinheit.“ Bittere Pille für den Sohn: Ihm droht unbefristete Unterbringung in der Psychiatrie. Der Verteidiger will es verhindern: „Er hat sich sehr stabilisiert.“
Nikita J. ist derzeit auf freiem Fuß. Drei Monate nach dem Angriff gegen Mama wurde er allerdings festgenommen – die Justiz hatte einen sogenannten Unterbringungsbefehl erlassen. J. kam ins Krankenhaus des Maßregelvollzugs, wurde nach drei Monaten entlassen.