Wer hat nicht schon mal im Deutschunterricht gestöhnt, weil der Lehrer es mit der Interpretation eines Textes ein bisschen übertrieb? „Wenn der Autor schreibt, ‚die Vorhänge waren blau‘, meint er wahrscheinlich nichts Tiefsinnigeres, als dass die Vorhänge blau sind!“ Solche und ähnliche Beschwerden äußert wahrscheinlich jede Generation mal. Wissen Sie aber, wo die Vorhänge für Generation Z und Konsorten nicht einfach nur blau sind? Auf Instagram.
Instagram-Analysen stehen Gedichtinterpretationen in nichts nach
Fragt man Generation Z und Generation Alpha (ja, das ist schon wieder die jüngere Generation!) über Instagram-Posts, packen sie Analysewerkzeuge aus, von denen Deutschlehrer nur träumen können. Für diejenigen, die mit sozialen Medien aufgewachsen sind, ist Instagram so etwas wie eine zweite Muttersprache. Mit nur einem Blick auf Posts und Storys finden sie Sachen über Nutzer heraus, die die vielleicht selbst nicht mal wissen.
Aus welchem Winkel wurde ein Bild aufgenommen, welcher Filter wurde verwendet, was hat der Ersteller in die Bildunterschrift geschrieben, wann wurde ein Bild gepostet? Das alles fällt ihnen intuitiv auf und ist verräterischer, als Sie vielleicht denken.

Ein falscher Instagram-Post kann eine Ehe zerstören
Das hat mir vor kurzem wieder ein Post vor Augen geführt, über den ich zufällig gestolpert bin. Ein Mann postete Bilder aus seinem Urlaub in Venedig. Für mich wirkten sie wie normale Urlaubsbilder: Er war wohl alleine unterwegs, lichtete ein paar Sehenswürdigkeiten ab und seinen Kaffee. Manchmal schien er mit dem Selbstauslöser Fotos von sich selbst gemacht zu haben. Ziemlich unspektakulär, fand ich. Bis ich in die Kommentare guckte.
Der Instagram-Post hatte bis weit über den Freundeskreis des Mannes hinaus die Runde gemacht (und ist dadurch auch auf meinen Radar gekommen), darunter sammeln sich amüsierte Kommentare, gespickt mit anzüglichen Bemerkungen. Erst nach einiger Zeit verstand ich, was das Problem war: Der Mann hatte wohl einige für geübte Augen sehr offensichtliche Fauxpas begangen, die dem kundigen Beobachter sofort signalisierten: Er war nicht alleine im Urlaub – und wollte das krampfhaft verheimlichen.
So hatte der unwissende Nutzer zum Beispiel seinen Kaffee aus einem Winkel fotografiert, aus dem man die andere Tischseite nicht einsehen konnte. Das Bild, das er vermeintlich mit einem Selbstauslöser gemacht hatte, war so aufgenommen, dass klar war, dass eine andere Person den Auslöseknopf gedrückt haben musste. Kleinigkeiten bei jedem Foto, die aber zusammengenommen ein klares Bild zeichneten. Und das war nicht unbedingt vorteilhaft: Der Mann war nämlich verheiratet und hatte anscheinend eine Affäre verheimlichen wollen.
Entblößend? Jugendliche posten ungern auf Instagram
Wer in sozialen Medien, und vor allem auf Instagram, postet, läuft immer Gefahr, mehr über sich preiszugeben, als er vielleicht eigentlich will – und gerade jüngere Generationen sehen das auf den ersten Blick. Kein Wunder also, dass inzwischen viele in der Generation Alpha kaum noch selbst auf Instagram posten und ihr Profil nur noch dazu benutzen, die Profile von anderen anzusehen oder sich Textnachrichten zu schreiben. ■