Vor Kurzem machte auf X (vormals Twitter) eine Studie des Marktforschungsinstituts Nielsen die Runde. Darin kam heraus, dass die meistgestreamten Serien nicht etwa „The Last of Us“ oder andere hippe, neue Serien sind, von denen uns die Werbung inzwischen zum Halse heraushängt. Nein, die Top Ten ist voll mit Serien, die oft über zehn Jahre alt sind. Woran liegt das?
Wenn man sich die Kommentare auf X anguckt, überrascht vielleicht, dass junge wie alte Menschen eine einschlägige Meinung dazu haben: In neuen Serien steckt einfach keine Liebe drin – und die Zuschauer merken das!
Als Serien früher noch hauptsächlich im Fernsehen liefen, hatten sie in der Regel 24 Episoden pro Staffel, eine Episode pro Woche. Bevor Sender sich entscheiden mussten, ob eine Serie eine neue Staffel bekommen soll oder nicht, hatte sie wochenlang Zeit, Zuschauer vor den Bildschirm zu locken.
Durch die vorgegebene Laufzeit konnten wir als Zuschauer viel Zeit mit den Charakteren verbringen. Und wenn die Hauptgeschichte nicht lang genug war, um 24 Episoden zu füllen, gab es eben „Füller-Episoden“. Das sind Episoden, in der die Haupthandlung nicht weitergeführt wird und die Charaktere stattdessen ein Abenteuer erleben, das in einer einzelnen Episode abgehandelt werden kann. Klingt überflüssig, aber genau das hat die Charaktere zum Leben gebracht und wir als Zuschauer hatten das Gefühl, dass sie fast so etwas wie Freunde sind. „Füller-Episoden“ gibt es heute fast nicht mehr, weil Serien sowieso nur gestreamt werden und die Macher nur die Episoden drehen müssen, die sie „brauchen“. Dadurch geht uns viel verloren.

Was das Absetzen angeht, sind Streamingdienste wiederum viel strenger als das traditionelle Fernsehen: Entweder gibt es Rekord-Zuschauerzahlen in den ersten Tagen – oder die nächste Staffel können Sie vergessen. So geschehen zum Beispiel bei „1899“: Die Serie war von den gleichen Machern wie der Mega-Hit „Dark“, Fans waren gespannt. Drei Staffeln waren veranschlagt, um die Geschichte zu erzählen. Abgesetzt wurde „1899“ schon nach einer Staffel. Warum? Sie hatte das Pech, kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft zu erscheinen. Statt auf Netflix guckte die Welt Fußball, die Zahlen wurden nicht erreicht. „1899“ wurde abgesetzt.
Mit diesem Schicksal ist „1899“ nicht alleine. Jeder Serien-Zuschauer hat so seine Serien, deren vorzeitiges Absetzen besonders schmerzhaft waren – für mich waren das „Sense8“ und „The OA“, zwei Serien, die inzwischen Kult-Status haben, und „Chambers“, die eine Chance verdient hätte (alle drei gibt es auf Netflix).
Das Ziel von Netflix und Co. ist sicherlich, kosteneffektiv zu sein und nur die besten Serien weiterlaufen zu lassen. Der Effekt ist aber, dass Streaming-Dienste eine ganze Generation von Serien-Zuschauern trainiert haben, nicht mehr emotional in Serien investiert zu sein, weil sie eh nach spätestens zwei Staffeln abgesetzt werden – wahrscheinlich noch mit einem Cliffhanger.
Kein Wunder also, dass auch Teenager neue Serien links liegen lassen und lieber „Friends“ oder „Gilmore Girls“ schauen. Wer würde nicht lieber eine in sich geschlossene Geschichte ansehen, die zehn Staffeln hat und uns viiiieeel Zeit mit unseren Lieblingscharakteren gibt? Wenn es um Serien geht, sagen Millennials und Gen-Z-er immer häufiger: Früher war alles besser! ■