„Wir im Osten“

Einfach irre, wie Potsdam Schlaglöcher mit Tempo-10-Schildern stopft!

Unser Autor hat wieder einmal eine der schlimmsten Straßen des Ostens besucht. Und man mag es kaum glauben, dort hat sich etwas getan.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Die Einfahrt zur Rudolf-Breitscheid-Straße: Tempo 10 regiert hier neuerdings. Das Schuhwerk haben Spaßvögel ans Ortsschild gehängt.
Die Einfahrt zur Rudolf-Breitscheid-Straße: Tempo 10 regiert hier neuerdings. Das Schuhwerk haben Spaßvögel ans Ortsschild gehängt.Norbert Koch-Klaucke

Das ging ja fix. Kaum hatte ich an dieser Stelle über eine der schlimmsten Schlaglochpisten im Osten Deutschlands geschrieben, da hat auch die Kommune reagiert. Allerdings nicht so, wie man dachte. Statt mit Teer werden dort die Löcher mit Verkehrsschildern „gestopft“.

Die Rede ist von der Rudolf-Breitscheid-Straße im Potsdamer Ortsteil Babelsberg. Sie ist eine der wichtigsten Verbindungen zwischen der Berliner Landesgrenze und der brandenburgischen Landeshauptstadt. Krethi und Plethi fahren hier lang, Lkw donnern vorbei.

Und so mancher Schauspieler wird auf dieser Straße in einem schwarzen Van zu den Babelsberger Filmstudios chauffiert. Nicht zu vergessen die Busse, die als Schienenersatzverkehr hier ab und zu vorbeidonnern, wenn auf der S-Bahn-Strecke zwischen Wannsee und Potsdam-Hauptbahnhof mal wieder gebaut wird.

Kein Wunder, dass der Asphalt, der in den 90ern auf der Rudolf-Breitscheid-Straße aufgebracht wurde, nun zwischen Landesgrenze und Filmstudios löchrig ist wie ein Schweizer Käse. Der Stadt fehlt das Geld, um den Schaden richtig zu reparieren. Allerdings versprach man mir, jetzt im Mai „vorrangig im Bereich des Radschutzstreifens versuchsweise Ausbesserungsarbeiten mit Gussasphalt“ durchzuführen.

Nach KURIER-Bericht: Potsdam entschärft mit Tempo-10-Schildern gefährliche Straße

Die Rudolf-Breitscheid-Straße nahe dem S-Bahnhof Griebnitzsee: Hier steht eines der Tempo-10-Schilder, die nun wegen der Schlaglöcher angebracht wurden. Vorher galt hier jahrelang Tempo 30.
Die Rudolf-Breitscheid-Straße nahe dem S-Bahnhof Griebnitzsee: Hier steht eines der Tempo-10-Schilder, die nun wegen der Schlaglöcher angebracht wurden. Vorher galt hier jahrelang Tempo 30.Norbert Koch-Klaucke

Nun war ich nach Pfingsten wieder in dieser Straße. Und Tatsache: Irgendwann vor den Feiertagen muss ein Fahrzeug der Stadtverwaltung hier gewesen sein. Aber nicht, um im Radfahrbereich die Löcher zu stopfen. Nein, es wurden Schilder ausgewechselt.

Wo einst Tempo-30-Schilder hingen, zieren nun nagelneue Tempo-10-Schilder die kaputte Piste im betroffenen Bereich. Acht Schilder habe ich gezählt, die gar nicht mal so teuer sind.

Bei um die 30 Euro liegt der Stückpreis, erfahre ich von der Herstellerfirma. Tja, dann entschärft man halt für insgesamt 240 Euro mittels einer Tempo-10-Zone die Schlaglochpiste, wenn einem die 50 Millionen Euro fehlen, die nötig wären, um allein die in diesem Winter entstandenen Straßenschäden in ganz Potsdam auszubessern. Ein genialer Schachzug der Stadt. Löst aber nicht das eigentliche Problem, finde ich.

Derweil stellt sich den Verantwortlichen für diesen Schilderstreich offenbar eine ganz andere Frage: Ist das Einhalten von Tempo 10 auf der Schlaglochpiste überhaupt möglich? Die Polizei soll die Strecke schon zu Versuchszwecken abgefahren haben, berichtet mir ein Anwohner, als ich vor einem Zaun stehe, an dem Radkappen hängen, die Autofahrer beim Durchfahren der Schlaglöcher verloren haben.

Zum Abholen bereit: In der Rudolf-Breitscheid-Straße stehen Radkappen an einem Zaun, die Autofahrer beim Befahren der Schlaglochpiste verloren haben.
Zum Abholen bereit: In der Rudolf-Breitscheid-Straße stehen Radkappen an einem Zaun, die Autofahrer beim Befahren der Schlaglochpiste verloren haben.Norbert Koch-Klaucke

Tempo 10 auf Schlaglochpiste: Will man mit Blitzern die Löcher in der Potsdamer Stadtkasse stopfen?

Mir drängt sich der Verdacht auf, dass man nun mit Blitzern versuchen will, aus der Geschichte Kapital zu schlagen, um die Finanzlöcher in der Stadtkasse zu stopfen. Dabei kann man auf der Piste auch nicht mehr als Tempo 10 fahren, wenn man keine Schäden am Pkw haben will. Nur ist das praktisch schwierig – man braucht schon 20 km/h, um vorwärtszukommen – und für Radfahrer sogar unmöglich. „Selbst wenn ich langsam fahre, bin ich schneller als zehn km/h. Dann kann ich ja mein Rad auch gleich schieben“, sagt mir eine Drahtesel-Besitzerin.

Übrigens: Ich hatte in meiner Kolumne zuvor behauptet, dass die Schlaglöcher auf dieser Straße das Kopfsteinpflaster aus DDR-Zeiten zutage fördern würde. Ein Architekt erklärte mir, dass der nun sichtbare Steinbelag sogar noch älter ist, wohl aus der Kaiserzeit stamme. Und der ist immer noch intakt. Da kann man mal sehen, wie man früher richtig gute Straßen bauen konnte.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com