Kolumne „Wir im Netz“

Die WAHRE Geschichte hinter dem Netflix-Hit „Adolescence“

„Adolescence“ ist DER Überraschungshit des Frühlings. Doch hinter der Geschichte des mörderischen Teenagerjungen verbirgt sich eine traurige Wahrheit.

Author - Jana Hollstein
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Jamie Miller (Owen Cooper) wird in der dritten Folge von Psychologin Briony Ariston (Erin Doherty) verhört.
Jamie Miller (Owen Cooper) wird in der dritten Folge von Psychologin Briony Ariston (Erin Doherty) verhört.Netflix

Mit nur wenig Werbung und fast ausschließlich Mund-zu-Mund-Werbung hat Netflix eine Miniserie herausgebracht, die schon innerhalb weniger Tage in ihrer Beliebtheit mit „Rentierbaby“, dem Mega-Hit von letztem Jahr, verglichen wird und diese in ihren Zuschauerzahlen sogar überflügelt. Allein innerhalb der ersten Woche klickten 6,45 Millionen Zuschauer bei der Serie über einen 13-jährigen Mordverdächtigen auf „Start“. Sogar der britische Premierminister Keir Starmer (62), der selbst Vater zweier Teenager-Jungen ist, hat öffentlich über die Serie geredet und bei dem Thema Handlungsbedarf gesehen. Aber ist die Realität wirklich so tragisch? Und basierte „Adolescence“ etwa auf einem echten Mordfall?

Wahre Geschichte auf Netflix: DARUM geht es bei „Adolescence“

Die Story von „Adolescence“ ist schnell erzählt: Ein 13-jähriger Junge wird von der Polizei unter Mordverdacht verhaftet. Schnell stellt sich heraus, dass seine Klassenkameradin Katie auf brutale Weise ermordet wurde. Und die Beweislast gegen Jamie Miller, den verdächtigen Teenager, ist erdrückend. Aber warum soll er es getan haben?

„Adolescence“ löst seine Kriminalgeschichte relativ schnell auf, und wird von einem „Whodunnit“ (deutsch „Wer hat es getan“, Bezeichnung des klassischen Krimi-Formats, bei dem ein Ermittler den Täter herausfinden muss) schnell eher zu einem „Whydunnit“ – warum hat er es getan? Der Mord an Katie wird als Aufhänger benutzt, um die Psyche eines Jungen zu erkunden, der von Mobbing und gefährlichen Denkmustern, die im Internet verbreitet werden, offensichtlich überfordert ist.

Besorgte Eltern: Manda (Christine Tremarco) und Eddie (Stephen Graham) Miller wissen nicht, was mit ihrem Sohn passiert ist.
Besorgte Eltern: Manda (Christine Tremarco) und Eddie (Stephen Graham) Miller wissen nicht, was mit ihrem Sohn passiert ist.Netflix

„Adolescence“ auf Netflix: Zwei Teenager-Mädchen wurden ermordet

Jamie Miller hat es im echten Leben so nicht gegeben, aber trotzdem basiert „Adolescence“ auf einer wahren Geschichte – oder besser gesagt, mehreren. Serienmacher und Drehbuchautor Stephen Graham war inspiriert von dem vermehrten Vorkommen von Messer-Gewalt, die nicht nur Berlin, sondern eben auch Großbritannien im Griff hat. In einem Interview mit „Radio Times“ erklärte der 51-Jährige: „Wo ich herkomme, da gab es einen Vorfall in Liverpool mit einem jungen Mädchen, und sie wurde zu Tode gestochen von einem Jungen. Und ich habe mich nur gefragt: Warum? Dann war da noch ein junges Mädchen im Süden Londons, die an einer Bushaltestelle erstochen wurde.“ Graham bezieht sich damit auf den Mord an Elianne Andam (15) und Ava White (12), die jeweils von Jungen in ihrem Alter ermordet wurden.

Doch viel wichtiger als die beiden Einzelschicksale war für die Macher von „Adolescence“ der gesellschaftliche Aspekt einer gefährlichen Kultur, die weltweit durch soziale Medien Einfluss auf selbst junge Teenager hat. In der Serie sprechen die Charaktere selbst die sogenannte Manosphere an, ein Teil des Internets mit stark frauenfeindlichen Ansichten. Diese entwickelte sich auf sozialen Medien wie Reddit und 4chan, aber gerade Social-Media-Influencer wie Andrew Tate (der in Rumänien wegen Vergewaltigung und Menschenhandel verhaftet, aber von der Trump-Regierung in die USA ausgeliefert wurde, wo er nun auf freiem Fuß ist) sind bei Jungen und jungen Männern immer beliebter. Experten sehen eine direkte Verbindung zwischen diesem Trend und der vermehrten Gewalt gegen Frauen.

Gegenüber Sky News führte Stephen Graham aus: „Man sieht es sich an und merkt, dass wir alle irgendwie zu einem gewissen Grad verantwortlich sind. Es gibt ein Versagen innerhalb des Schulsystems, es gibt Situationen, in denen das Bildungssystem mal hinsehen sollte, wohin diese stärker werdenden frauenfeindlichen Tendenzen führen.“

Jana Hollstein schreibt  für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com