Hertha-Kolumne

Umschulung als Karriere-Booster? Hertha BSC kennt sich aus

Was einst bei Jolly Sverrisson oder auch Lukasz Piszczek bestens gelang und von Erfolg gekrönt war, soll jetzt auch bei Marten Winkler funktionieren.

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Marten Winkler (r.) beackerte im Test gegen St. Pauli Herthas linke Seite – ein Modell für die Zukunft?
Marten Winkler (r.) beackerte im Test gegen St. Pauli Herthas linke Seite – ein Modell für die Zukunft?Jan-Philipp Burmann/City-Press

In der vorigen Woche – beim Testspiel der Hertha gegen den Erstligisten FC St. Pauli (0:0) – stellte Berlins Cheftrainer Stefan Leitl die Flexibilität von Jungprofi Marten Winkler auf die Probe. Der 22-Jährige, bislang als blitzschneller Angreifer auf dem rechten Flügel zu Hause, wurde zum linken „Schienenspieler“ umfunktioniert. Ein solcher Profi soll die gesamte Länge des Platzes auf seiner Seite beackern. Beste Kondition und Speed ist dafür Voraussetzung.

Seitdem Leitl sein System vor allem auf 3-5-2 umgestellt hat, gibt es den klassischen Rechtsaußen vorerst nicht mehr. Winkler machte seine Sache gut. Die Umschulung wird weitergehen und im besten Fall kann die neue Position zum Dauerzustand für den Herthaner werden und zu einem Karriereschub führen. Aber auch andere Gründe wie Verletzungen wichtiger Spieler oder eigene Blessuren können zu einem Positionswechsel führen.

Jolly Sverrisson kam als Stürmer zu Hertha ...

Vorbilder solcher Neuorientierungen kann Leitl in der Vergangenheit auch bei Hertha finden und natürlich im internationalen Fußball. Bei Hertha brachten zwei Eingriffe der ehemaligen Cheftrainer Jürgen Röber und später Lucien Favre absolute Knalleffekte. Der Isländer Eyjölfur Sverrisson kam 1995 vom VfB Stuttgart als durchaus erfolgreicher Stürmer zu Hertha, bildete zunächst unter Trainer Karsten Heine mit Mike Lünsmann und Christian Fährmann den Angriff.

Jolly Sverrisson (r.) ist ein Umschul-Vorbild bei Hertha BSC: Er kam als Stürmer und glänzte als Verteidiger.
Jolly Sverrisson (r.) ist ein Umschul-Vorbild bei Hertha BSC: Er kam als Stürmer und glänzte als Verteidiger.Camera 4/imago

Erst unter dem neuen Trainer Röber rückte der 66-malige Nationalspieler in die Abwehr. Röber hatte ihn umgeschult, sah vor allem dort dessen großes Potenzial. Jolly Sverrisson gab fortan einen kantigen, robusten Abwehrmann, an dem sich die gegnerischen Angreifer die Zähne ausbissen.

Lukasz Piszczek macht beim BVB Karriere

Jahre später trainierte der Schweizer Lucien Favre die Hertha. Er suchte vor allem polyvalente, also vielseitige Profis. Favre verschaffte dem polnischen Angreifer Lukasz Piszczek eine neue Perspektive. Piszczek kam 2004 als gelernter Stürmer von Gwardia Zabrze nach Berlin, wurde an Zaglebie Lubin ausgeliehen. Erst Monate nach seiner Rückkehr stellte Favre während eines Testspiels den Angreifer zum ersten Mal als rechten Verteidiger auf.

„Er hat sich auch als Stürmer gut bewegt“, so Favre, „aber seine wahre Gabe lag hinten.“ Das wurde zum Dauerzustand und als Piszczek 2010 zum Spitzenklub Borussia Dortmund wechselte, entwickelte er sich zu einem der besten und offensivstärksten Abwehrspieler der Liga. Das Stürmer-Gen war unübersehbar. „Dieser Positionswechsel hat meine Karriere gerettet“, verriet Piszczek später, „die Umschulung unter Favre war ein Volltreffer.“

Blickt man über den Berliner Tellerrand hinaus, fällt mir etwa der prominente Waliser Gareth Bale ein. Der ging tatsächlich den langen Weg der Umschulung von hinten nach vorn: Linker Verteidiger (beim FC Southampton) – linkes Mittelfeld (bei Tottenham Hotspur) bis zum linken Flügelstürmer (bei Real Madrid).

Petr Cech nach Beinbruch umgeschult

Erst nur Weltklasse-Torwart, dann Weltklasse-Torwart mit Kunststoff-Kopfschutz: Petr Cech.
Erst nur Weltklasse-Torwart, dann Weltklasse-Torwart mit Kunststoff-Kopfschutz: Petr Cech.Nick Potts/PA Wire/dpa

Spannend ist die Geschichte des einstigen tschechischen „Welttorhüters“ Petr Cech. Der stürmte in der Jugend für Viktoria Pilsen. Im Alter von 12 Jahren erlitt er einen Beinbruch und sein Trainer riet ihm, ins Tor zu wechseln. Cech wurde einer der besten Keeper der Welt. Eine schwere Kopfverletzung als Torhüter von Chelsea London – ein Schädelbasisbruch – machte ihn zusätzlich berühmt als den „Mann mit dem Helm“, weil er fortan mit einem Kopfschutz aus Kunststoff spielte.

Und noch ein Beispiel aus dem DDR-Fußball. Berühmt wurde Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner als offensivstarker Libero von Dynamo Dresden und in 100 Länderspielen für die DDR. Sein erstes Oberligaspiel für Dynamo bestritt er in der Saison 1969/70 allerdings als Mittelstürmer, schoss ein Tor beim 2:0 gegen Hansa Rostock. Erst als mit Wolfgang Haustein ein wichtiger Abwehrmann verletzt ausfiel, wurde Dörner, der 2022 im Alter von 70 Jahren verstarb, von Trainer-Legende Walter Fritzsch zum Libero umfunktioniert. Ein Glücksfall.

Ob man Herthas Marten Winkler irgendwann in eine Reihe mit den erfolgreichen Umsteigern Jolly Sverrisson und Lukasz Piszczek stellen kann, ist ungewiss. Auch eine Umschulung birgt einige Risiken.