Manuel Neuer, der deutsche Nationaltorhüter, wird den 24. November 2018 garantiert in unguter Erinnerung behalten haben. Am 12. Spieltag der Saison 2018/19 empfing der FC Bayern München in der Allianz-Arena die Mannschaft von Aufsteiger Fortuna Düsseldorf. Der hatte den jungen Stürmer Dodi Lukebakio vom englischen FC Watford ausgeliehen. In einem äußerst turbulenten Bundesligaduell, in dem die Bayern zuerst mit 2:0 und später mit 3:1 in Führung lagen, traf Lukebakio sensationell dreimal und sorgte so für einen überraschenden 3:3-Endstand! Es waren wunderschöne Tore, mit denen der pfeilschnelle Angreifer die Münchner schockte. Mit diesem spektakulären Auftritt gelangte der Belgier zum ersten Mal in den Fokus der Öffentlichkeit in Fußball-Deutschland.
Es war der Beginn einer Karriere mit vielen Höhen und Tiefen, die nun mit der EM in Deutschland ihren vorläufigen Höhepunkt finden wird. Belgiens Nationaltrainer, der Deutsch-Italiener Domenico Tedesco, berief Lukebakio (26) in sein EM-Aufgebot. Gerade in der Offensive ist Belgien sehr gut aufgestellt – neben Lukebakio etwa mit dem bulligen Romelu Lukaku von der AS Rom, mit Lois Openda von RB Leipzig oder mit Leandro Trossard von Arsenal London. Dieser Sturm scheint kreuzgefährlich zu sein.
Zum Karriere-Start ein Wandervogel
Lukebakio, der seine Laufbahn beim RSC Anderlecht startete, hatte bis zu seiner Sternstunde in München 2018 schon einiges erlebt, war an den FC Toulouse und an Sporting Charleroi ausgeliehen worden und landete schließlich in England beim FC Watford, der ihn nach Düsseldorf weiterreichte. Bei der Fortuna kam der Rechtsaußen auf zehn Treffer und vier Assists.
Vor der Saison 2019/20 aber schlug Hertha BSC zu. Am 1. August 2019 gab Manager Michael Preetz die Verpflichtung von Lukebakio bekannt, der die damalige Rekordablösesumme der Hertha von rund 20 Millionen Euro kostete. Es war der Beginn einer größenwahnsinnigen Phase des Berliner Bundesligisten, der fortan mit den Millionen des Investors Lars Windhorst um sich warf.
Mit Dodi begann Herthas Größenwahn-Phase
Nachdem Jürgen Klinsmann im November Ante Covic als Cheftrainer abgelöst hatte, holte sich Hertha im Winter 2019/20 den Titel eines „Transfer-Weltmeisters“. Nach Lukebakio wurden Santiago Ascacibar (10 Millionen Euro), Lucas Tousart (25 Millionen Euro), Krzysztof Piatek (24 Millionen Euro) und Matheus Cunha (18 Millionen Euro) verpflichtet. In der durch die schlimme Pandemie geprägten und unterbrochenen Saison landete Hertha mit all den Stars und insgesamt vier Trainern am Ende auf Rang 10.

Lukebakios Auftritte pendelten zwischen genialen Momenten und schwachen Leistungen, wenn er in der Defensive aushelfen musste. Dennoch war und blieb er ein Unterschiedsspieler, der Duelle durch seine individuelle Stärke auch allein entscheiden konnte. Nach einer Ausleihe an den VfL Wolfsburg 2021/22, wo Lukebakio nicht zur Geltung kam, kehrte er nach Berlin zurück und war in der Abstiegssaison 2022/23 mit elf Toren Herthas bester Schütze.
Lukebakio wird vor WM 2022 aussortiert
Sein Debüt in der belgischen Nationalmannschaft gab er bereits im November 2020 bei einem 2:1-Sieg der Roten Teufel gegen die Schweiz. Doch Trainer Roberto Martinez, ein Spanier, setzte fortan meist auf andere Angreifer. Lukebakio firmierte vor der WM 2022 in Katar lediglich als Stand-by-Profi und erlebte das Championat schließlich nur aus der Ferne. Seine Enttäuschung war riesengroß, denn „für Belgien eine WM zu spielen, war mein Kindheitstraum“, so der Stürmer damals. Martinez aber trat nach der verkorksten WM und dem Aus nach der Vorrunde zurück und der neue Chefcoach Domenico Tedesco hatte Lukebakio fortan wieder im Blick.

Hertha aber konnte den Belgier nach dem Abstieg in die Zweite Liga nicht halten und war wegen finanzieller Not gezwungen, den Angreifer so teuer wie möglich zu verkaufen. Schließlich ging der „Königstransfer“ zum FC Sevilla am 24. August 2023 über die Bühne – da lief die Saison in Liga zwei bereits seit drei Wochen. Lukebakio aber war nicht mehr eingesetzt worden, um seinen Verkauf nicht zu gefährden. Sportdirektor Benjamin Weber akquirierte immerhin stolze 10 Millionen Euro an Ablöse. Damit endete endgültig das „Kapitel Größenwahn“ bei Hertha. Lukebakio ging mit 94 Bundesligaspielen und 24 Toren in die Hertha-Historie ein.
Hertha-Treffen in Frankfurt am Main
Der Belgier aber erlebte im meist heißen Sevilla eine turbulente Spielzeit. Beim siebenmaligen Europa-League-Sieger ging es drunter und drüber und der Stürmer stand nach dem bitteren Absturz mit Hertha erneut im heftigen Abstiegskampf. Mit José Luis Mendilibar, Diego Alonso und Quique Sanchez Flores wurden gleich drei Trainer verschlissen, ehe am Ende der Saison Platz 14 und die Rettung stand. In 23 Spielen schoss Lukebakio fünf Tore und gab einen Assist – eine ausbaufähige Bilanz. In der kommenden Saison stürmt Lukebakio wieder unter einem neuen Chefcoach. Sein Name: Garcia Pimienta.

Jetzt steht aber erst einmal die EM in Deutschland an. Die Belgier reisen selbstbewusst zum Championat, da sie bislang unter Domenico Tedesco eine makellose Bilanz aufweisen. Die Mannschaft trifft in der Gruppe E auf Rumänien, die Ukraine und die Slowakei. Der Tross wohnt fürstlich im Schloßhotel Monrepos in Ludwigsburg. Dodi Lukebakio aber könnte im Duell mit der Slowakei am 17. Juni in Frankfurt auf seinen ehemaligen Teamkameraden bei Hertha, Verteidiger Peter Pekarik treffen. Belgien gilt wieder einmal als ein Geheimfavorit. ■