Vor einigen Wochen habe ich eine schöne Sommer-Lektüre verschlungen. „Von der Kunst, italienisch zu leben“ heißt das Buch. Es ist eine Hommage an den italienischen Lebensstil. Nach dem Lesen hätte ich am liebsten meinen Koffer gepackt und wäre gern in die Toskana oder an die Amalfiküste geflogen. Nicht nur für mich und viele Deutsche ist Italien ein Sehnsuchtsort – auch für Fußball-Profis, die einst das Trikot von Hertha BSC trugen.
Zwei Meldungen aus Italien, die zu diesem Trend passen, erreichten aktuell die Hertha. Die erste Nachricht betrifft den Mittelfeldspieler Lazar Samardzic (22), einst als das größte Talent von Hertha BSC gepriesen. Samardzic wechselte nun in der Serie A, der höchsten Spielklasse im italienischen Fußball (Calcio), von Udinese zum Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo. Er wurde eine Saison ausgeliehen mit einer Kaufpflicht durch Bergamo von rund 20 Millionen Euro. Kommt es dazu, wird auch Hertha als einstiger Ausbildungsklub des serbischen Nationalspielers – er durchlief von 2009 bis 2019 alle Nachwuchsteams in der Akademie – profitieren und kann mit rund 400.000 Euro rechnen. Mit 22 Jahren besitzt er aktuell einen überaus stattlichen Marktwert von 20 Millionen Euro. Das schaffte in seinem Alter noch kein Talent aus der Hertha-Akademie.

Der Wechsel von Herthas Verteidiger Marc Kempf nach Italien überrascht
Nachricht zwei überraschte die Fans und auch mich. Innenverteidiger Marc-Oliver Kempf (29) wechselt zum Serie-A-Aufsteiger Como 1907. Diese Meldung ploppte nach dem 2:0-Heimsieg gegen Jahn Regensburg mit Kempf als Abwehrchef auf und – was mich ganz besonders verwunderte - nur 48 Stunden nachdem Kempf auf der Spieltags-Pressekonferenz gesagt hatte, dass er sich voll mit der Spielweise des neuen Trainers Cristian Fiel identifiziere und davon als Verteidiger profitiere … Hertha kassiert 2,5 Millionen Euro Ablöse.
Es ist auffällig, dass Hertha BSC zuletzt viel mit Vereinen in Italien zu tun hatte und finanziell ordentliche Gewinne verzeichnen konnte. Für Mittelfeldmann Suat Serdar, der sich bei Hellas Verona unglaublich wohl fühlt, floss eine Ablöse von 4,5 Millionen Euro in die Hertha-Kasse. Keeper Oliver Christensens Wechsel zu AC Florenz brachte 3,8 Millionen Euro ein. Beide verließen Hertha nach dem Abstieg 2023. Und als Valentino Lazaro 2019 zu Inter Mailand transferiert wurde, gab es gar satte 22,4 Millionen Euro!
Suat Serdar sagte schon wenige Wochen nach seiner Ankunft in Verona: „Ich habe mich komplett in Italien verliebt!“ Das hat nicht nur mit den üppigen Gehältern zu tun, auch die Lebensweise, die Leichtigkeit und Lässigkeit, spielt eine Rolle. Als erfolgreicher Profi wird man verehrt und von den Fans geliebt. Zudem trifft man auf weltbekannte Traditionsklubs wie Inter und AC Mailand, Juventus Turin oder den SSC Neapel. Eine tolle Herausforderung.

Nur zwei Italiener wechselten jemals zu Hertha BSC
Auffällig ist, dass umgekehrt der Weg von Italien nach Berlin für Profis nicht lukrativ erscheint. Seit über 50 Jahren wechselten lediglich zwei Italiener zu Hertha: Zuerst Vereins-Legende Nello Di Martino, der 1971 vom Drittligisten FC Rapallo kam und als Torwarttrainer und Teamleiter dem Verein bis heute treu geblieben ist. Ihm folgte 1995 der junge Stürmer Gabriele Graziani. Der Sohn von Francesco Graziani, Weltmeister von 1982, kam in Liga zwei unter den Trainern Karsten Heine und Jürgen Röber nur zu neun Einsätzen, fühlte sich in Berlin nicht wohl und kehrte schnell in seine Heimat zurück.
Kenner des Calcio sagten mir, Deutschland sei für italienische Profis kein Sehnsuchtsort, was auch mit dem Lebensgefühl, den Essgewohnheiten, dem Klima und der Spielweise zu tun habe.
Wenigstens führt nun mit Sommer-Zugang Diego Demme ein Deutsch-Italiener Regie im Mittelfeld der Hertha. Der 32-Jährige wird mit seiner Erfahrung aus vier Jahren beim einstigen Maradona-Klub SSC Neapel der Hertha noch viel Freude bringen und vielleicht ein bisschen Dolce Vita-Flair verbreiten. Ich hoffe es jedenfalls. ■