Der klare KURIER-Kommentar

Die seltsame Fan-Bubble von Babelsberg gegen Hertha BSC kostet Steuergelder

Ein Polizei-Aufgebot fast wie bei der EM. Dabei war es nur ein Testspiel von Hertha in Babelsberg.

Author - Wolfgang Heise
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Herthas Fans feierten bei strömenden Regen ihr Team beim 1:0-Test in Babelsberg. Dabei wurden sie von der Polizei 90 Minuten lang gefilmt.
Herthas Fans feierten bei strömenden Regen ihr Team beim 1:0-Test in Babelsberg. Dabei wurden sie von der Polizei 90 Minuten lang gefilmt.City-Press

War es ein EM-Spiel? Nein! Es war ein Testspiel zwischen dem Regionalligisten SV Babelsberg 03 und Hertha BSC mit 4464 Zuschauern im schmucken Karl-Liebknecht-Stadion. Doch bei diesem erhöhten Polizeiaufgebot in Potsdam konnte man wirklich den Eindruck haben, dass es ein Hochrisikospiel war.

Das Ganze hat eine Vorgeschichte: 2018 verwüsteten ein paar gewalttätige Hooligans von Hertha BSC nach einem Testspiel eine Szene-Kneipe in Babelsberg. Der kleine Vorstadtklub hat eine Fan-Szene, die als Vorbild den Kiezklub FC St. Pauli hat und sich antifaschistisch engagiert. Alles gut und vernünftig. Doch irgendwie hat sich da eine seltsame Gedanken-Bubble entwickelt wegen 20 Hooligans vor sechs Jahren. Denn danach passierte nicht mehr viel bis gar nichts. Nach jedem Freundschaftsspiel gingen die Fans friedlich nach Hause.

Doch die Hardcore-Fans in Babelsberg drehen weiter an der Uhr. Per Mitgliederbeschluss setzten sie durch, dass es keine Testspiele mehr gegen Hertha BSC und den 1. FC Union gibt. Mittwoch gab es die nette Tradition zwischen den Klubs das letzte Mal. Aus Protest, dass das Spiel überhaupt noch stattfand, kam der harte Kern der Babelsberger Anhänger erst gar nicht. Freiwillige Selbstisolation, statt ernsthafter Dialog. Nicht clever, kann man aber so machen.

Doch was viel fataler ist: Die falsche Legende von blau-weißen Barbaren in Massen ist scheinbar auch bei der Polizei angekommen. 90 Minuten penetrante Videoanalyse der Hertha-Fankurve durch die Polizei. Charmant geht anders. Dazu ein Aufgebot an Sicherheitsbeamten im weiten Umfeld des Stadions, das einfach beispiellos für ein Freundschaftsspiel ist. Hier werden einfach mal Steuergelder verschwendet.

Ich habe bei der Polizei in Potsdam nachgefragt. Wie viele Polizisten im Einsatz waren, wollte man mir nicht beantworten. Doch es gab eine präzise Angabe von Vorfällen. Lesen Sie selbst: „Nach dem Verlassen des Stadions im Nachgang des Spiels wurde durch eine bislang unbekannte Person in der Straße Alt Nowawes in Potsdam-Babelsberg Pyrotechnik gezündet und eine entsprechende Anzeige aufgenommen. Verletzt wurde niemand. Außerdem wurde eine Anzeige wegen Beleidigung aufgenommen. Eine Person, deren Personalien aufgenommen wurden, hatte hier einen Polizeibeamten beleidigt.“

Okay, Pyrotechnik haben wir in Berlin seit EM-Start in jedem Kiez, in jeder Straße. Polizisten sollte man nicht beleidigen, die machen auch nur ihren Job. Doch an diesem Abend hätten sie vielleicht lieber diesen Dienst nicht schieben wollen und ein echtes EM-Halbfinale zwischen Holland und England gesehen. Ganz entspannt auf der Couch. ■