Abgestempelt und eingesperrt

Gedenkstätte Jugendwerkhof Torgau erinnert an erbarmungslose DDR-Repression

Tausende junge Menschen sind in der DDR in Jugendwerkhöfen festgehalten worden. Eine neue Ausstellung in Torgau erzählt von Repression und sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige.

Teilen
Blick in den Trakt der Dunkelzellen in der „Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau“.
Blick in den Trakt der Dunkelzellen in der „Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau“.Hendrik Schmidt/dpa

Die Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof im sächsischen Torgau hat eine neue Dauerausstellung. Sie erinnert am authentischen Ort an die repressiven Machtstrukturen innerhalb des DDR-Erziehungssystems sowie an die jugendlichen Opfer der sozialistischen Umerziehungspraxis. Die Ausstellung steht unter dem Titel „Ich bin als Mensch geboren und will als Mensch hier raus“. Sie wurde am Freitag im Torgauer Rathaus mit einem Festakt eröffnet. Rund 200 Menschen nahmen daran teil.

Anlass war die letzte Entlassung eines Jugendlichen aus dem Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau vor 35 Jahren. Zwischen 1949 und 1989 sollten dort Kinder und Jugendliche unter haftähnlichen Bedingungen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ umerzogen werden. Torgau war offiziell die einzige geschlossene Heimeinrichtung der DDR. Ein Aufenthalt dauerte bis zu sechs Monate, manche Betroffene waren mehrfach dort. Es gab auch Arrest- und Dunkelzellen. Hier sollten Persönlichkeiten gebrochen werden.

Die neu inszenierte Ausstellung widmet sich anhand von Zeitzeugenberichten, Briefen und Aktenvermerken dem Alltag und der Lebenswirklichkeit der Betroffenen. Sie informiert auch zu sexualisierter Gewalt in den Heimen der DDR-Jugendhilfe.

In Torgau wird Geschichte fühlbar

Die Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau ist die einzige ihrer Art bundesweit. Die Vorstandsvorsitzende des Trägervereins, Gabriele Beyler, sagte, „wir haben einen langen Weg hinter uns und bedanken uns vor allem bei den Betroffenen, die diesen geebnet haben und mit uns gegangen sind“.

Für den Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), ist die Torgauer Gedenkstätte ein gutes Beispiel dafür, „Geschichte von etwas Abstraktem zu etwas Fühlbarem zu machen“. Viele Opfer würden nun sichtbar. Die SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke kritisierte, die Gesellschaft habe „viel zu lange gebraucht, um das Unrecht, was den Heimkindern widerfahren ist, auch klar als Unrecht zu benennen“.

„Ich bin als Mensch geboren und will als Mensch hier raus“ steht in einer Dunkelzelle in der „Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau“.
„Ich bin als Mensch geboren und will als Mensch hier raus“ steht in einer Dunkelzelle in der „Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau“.Hendrik Schmidt/dpa

Von 1949 bis 1989 durchliefen laut Gedenkstätte etwa 135.000 Kinder und Jugendliche das System der DDR-Spezialheime. In der gesamten DDR existierten 32 Jugendwerkhöfe und 38 Spezialkinderheime. Mehr als 4.000 Einweisungen sind allein für den Jugendwerkhof Torgau dokumentiert. Die Betroffenen waren damals im Alter zwischen 14 und 18 Jahren.

Am Sonnabend fand in Torgau das 20. Treffen ehemaliger DDR-Heimkinder statt. Erstmals präsentiert wurde eine Wanderausstellung der Torgauer Gedenkstätte zu den Geschlossenen Venerologischen Stationen der DDR. Die Schau dokumentiert die staatliche Disziplinierung von Mädchen und Frauen, die nicht den sozialistischen Normen entsprachen und die auf den Stationen systematischer sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren.