TV-Geschichte

DDR-Klassiker „Tele-Lotto“: Warum ich im Lotto bis heute die 32 tippe!

Die Ziehung der DDR-Lottozahlen war ein unterhaltsames Spektakel. Immer sonntags um 19 Uhr schalteten Hunderttausende ein.

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Wolfgang Reichardt, Moderator der 1. und der 1000. Sendung Tele-Lotto mit Ziehungsleiter Wolfgang Morgner und Justitiarin Sabine Herrmann – hier mit der neuen Lotto-Maschine.
Wolfgang Reichardt, Moderator der 1. und der 1000. Sendung Tele-Lotto mit Ziehungsleiter Wolfgang Morgner und Justitiarin Sabine Herrmann – hier mit der neuen Lotto-Maschine.Klaus Winkler/dpa-Zentralbild

Wenn ich heutzutage ab und zu mal Lotto spiele, gibt es eine Zahl, die ich fast jedes Mal tippe. Die 32. Zu verdanken habe ich diese immer währende Eingebung einer Sendung des DDR-Fernsehens: Tele-Lotto, das war damals eine Mischung aus Lottoziehung und Unterhaltungssendung. Und die 32 war dabei die Zahl, auf die Kinder am meisten hofften. Warum das so war, lesen Sie hier.

„Ich kann nur sagen, dass Tele-Lotto in meinem Kopf von Anfang an kein Beiprodukt war, kein irgend so ein Lottoding, so nebenbei“, erklärte Horst Sauer, Unterhaltungschef bei DDR-Fernsehen, vor Jahren in einer MDR-Dokumentation. „Die Sendung war im besten Sinne Familienunterhaltung.“ In der Tat: Tele-Lotto hat nichts von einer langweiligen Lotto-Ziehung an sich, in der in wenigen Minuten einfach nur ein paar Zahlen gezogen wurden. 

Kinder liebten die 32, Erwachsene die 19

Nein, Tele-Lotto lief seit dem 9. Januar 1972 jeden Sonntag um 19 Uhr im 1. Programm des DDR-Fernsehens. 25 Minuten lang für 5 (aus 35) Zahlen. Also fünf Minuten pro Zahl. Die Sendung hatte zwei Zielgruppen: die Lottospieler - und die, die Kurzfilme sehen wollten. Denn zu jeder Zahl gehörte eine Kurzfilmkategorie. Fiel die 32, wurde immer ein Trickfilm gezeigt. Daher rührt meine Vorliebe (und die vieler Kinder von einst) für diese Zahl, die mir auch schon beim Roulette Glück brachte. Aber das ist eine andere Geschichte ...  

Allerdings gilt eine andere Zahl als Lieblingszahl der Sendung: „Die Lieblingszahl aller war ja die 19“, erinnert sich Klaus Fischer, Autor und Regisseur bei Tele-Lotto. „Wenn die fiel, kam der Kurzkrimi.“ Fünf Minuten lang, extra für die Sendung produziert. Mehr Schwank als Krimi, aber sehr beliebt.

Zur Sendung Tele-Lotto gab es auch Werbefiguren wie diese aus der Sammlung Frank Lange.
Zur Sendung Tele-Lotto gab es auch Werbefiguren wie diese aus der Sammlung Frank Lange.Robert Michael/imago

Es gab langweilige Zahlen (34 für Volksmusik, 20 für Marschmusik, 13 für Heitere Verse) und unterhaltsame Zahlen (31 für Tierwelt, 10 für Frecher Zeichenstift, 29 für Sport).

Das verbarg sich hinter den Zahlen

1. Anekdote, 2. Alte Filme, 3. Ballett, 4. Blasmusik, 5. Chansons, 6. Ensemble der Welt, 7. Evergreens, 8. Fernsehspiel, 9. Filmspaß, 10. Frecher Zeichenstift, 11. Große Mimen, 12. Große Stimmen, 13. Heitere Verse, 14. Humor, 15. Jazz, 16. Junge Talente,  17. Komödie, 18. Kuriositäten,19. Kurzkrimi, 20. Marschmusik, 21. Musical, 22. Oper, 23. Operette, 24. Schlager, 25. Sensationen, 26. Shanties, 27. Singeclub, 28. Spielfilm, 29. Sport, 30. Tanz, 31. Tierwelt, 32. Trickfilm, 33. Unterhaltungsmusik, 34. Volksmusik, 35. Zirkus

... und dann fiel die 32. Das war nicht nur umgangssprachlich gemeint. Denn bei der Lottoziehung im DDR-Fernsehen fielen die Zahlen buchstäblich um. Die Lottomaschine war bis 1984 so eine Art blauer Plastevulkan, der oben aus dem Schlot eine billardartige Kugel ausspuckte, die auf Kreisbahnen den Berg herunterrollte und unten eine der vorbeilaufenden Zahlen traf – es machte plopp und die kegelförmige Zahlenklappe fiel daraufhin um.

Alle, die die Sendung regelmäßig sahen, können sich mit Sicherheit auch noch an das berühmteste Wort der Sendung erinnern. Durchläufer. Wenn die Kugel eine bereits gezogene Klappzahl traf und einfach durchrollte. Dann musste noch mal gezogen werden.

Der Konstrukteur des legendären Ziehgerätes, 1,3 Meter hohen Glasfaser-Polyester-Schnecke, war Werner Dose aus Berlin-Altglienicke. Erst 1984 kam ein neues Gerät zum Einsatz, das ähnlich funktionierte, aber lange nicht mehr so witzig aussah. Die Kugel rollte immer noch kreisrund hinab, jetzt aber durch ein gewundenes Glasrohr, bis sie unten einer der vorbeilaufenden 35 Glückszahlen traf. Durchläufer gab es aber immer noch.

Gewinne bis zu 20.000 DDR-Mark

Feste Moderatoren gab es nicht, jede Woche war ein anderer dran. Das konnten Sportler sein, Schauspieler oder Moderatoren. Lutz Jahoda etwa hatte die Ehre, 1984 die letzte Sendung mit dem Plastevulkan zu moderieren. Immer mit im Studio waren die etwas steifen Ziehungsleiter (Walter Rohr, Wolfgang Morgner) und Mitarbeiter des Staatlichen Notariats der DDR (Sabine Herrmann, Manfred Kutzner), die überwachten, dass außer den Durchläufern nichts schiefging. 

Übrigens: Die Ziehung im DDR-Fernsehen sah live aus, wurde aber vorher aufgezeichnet. Am Vormittag des Sonntags, wenn schon alle Lottoannahmestellen geschlossen hatten. Für drei Richtige im Tele-Lotto lagen die Gewinne bei 15 bis 25 Mark, für vier Richtige bei 200 bis 600 Mark, für fünf Richtige waren Gewinne von 10.000 bis 20.000 Mark üblich.

Das Ende der DDR läutete auch das Ende von Tele-Lotto ein. Die Finanzminister der fünf neuen Bundesländer beschlossen die Einstellung zum 30. September 1992 zugunsten des westdeutschen 6 aus 49. ■