Wussten Sie, dass es in Berlin-Brandenburg Schulhunde gibt? Der Sheltie Pino ist einer von ihnen! Im KURIER-Interview erklärt sein Frauchen, die Sonderpädagogin Andra Schmidt, wie sie gemeinsam Kindern beim Lernen helfen. Als Team mussten sie eine richtige Ausbildung absolvieren. Und auch wenn sie dafür viel Mühe, Zeit und Geld investiert hat, ist die Arbeit mit ihrem Hund für die 35-Jährige der beste Job der Welt.
Schulhund Pino arbeitet einmal die Woche an einer Grundschule

Ein Schulhund – das hätte sich wohl jeder Hunde-Fan für seine Schulzeit gewünscht! Allzu verbreitet sind sie leider nicht, aber an der Herbert-Tschäpe-Grundschule in Blankenfelde-Mahlow (Brandenburg) gibt es einen: Pino ist ein vier Jahre alter Sheltie (Shetland Sheepdog). Er gehört zu Andra Schmidt, die an der Schule als Sonderpädagogin tätig ist – und dabei auch regelmäßig ihren flauschigen Vierbeiner einsetzt. Die 35-Jährige ist Leitungsmitglied im Arbeitskreis für Schulhunde Berlin-Brandenburg.
Wie sieht ihr Berufsalltag mit Schulhund aus? Im KURIER-Interview erklärt Andra Schmidt: „Einmal in der Woche, immer dienstags, begleitet mich mein Hund in die Schule. Da habe ich feste Lerngruppen, die zu mir und meinem Hund in den Raum kommen. Dort machen wir Leseförderung oder eben auch Dyskalkulie-Training.“ Zur Erklärung: Dyskalkulie ist ein anderes Wort für eine Rechenschwäche. „Ich habe auch eine Gruppe, in der wir soziales Kompetenztraining machen.“
So sieht eine Förderstunde mit Schulhund aus

Und wie kann man sich so eine Lerneinheit mit Schulhund vorstellen? Wie arbeitet Pino konkret? Die Sonderpädagogin schildert: „Wenn ich beispielsweise eine Leseförderung mache, ist Pino oft einfach nur dabei. Wir setzen uns auf einen Teppich, machen es uns gemütlich, und die Kinder lesen vor – dürfen Pino vorlesen.“ Weiter erklärt Andra Schmidt: „Wir sagen immer: ‚Wann schläft ein Schulhund gut? Wenn wir fleißig arbeiten.‘ Dann sind die Kinder immer ganz doll bemüht, toll zu arbeiten und schön zu lesen, und dann schläft Pino ein und sie sehen: ‚Das habe ich jetzt richtig toll gemacht.‘“

„In solchen Sequenzen ist der Hund eher eine Brücke zu den Kindern. Eine Motivation. Er weckt die Freude am Lesen.“ Doch in jeder Stunde baue sie auch eine aktive Runde ein. Zum Beispiel mittels korrekt einsortierter Wortkarten – auf denen Pinos Gesicht zu sehen ist – können die Kinder sich Kekse für den Hund erarbeiten. „Danach dürfen sie einen Trick mit ihm machen. Das ist eine tolle Motivation. Das ist einfach etwas anderes als im Klassenraum, mal eine Abwechslung zum Alltag.“
„In meinen Stunden ist der Hund grundsätzlich überall Thema. Das finden die Kinder ganz toll. Auch die Bindung zum Tier. Umso mehr die wächst, umso besonderer werden die Stunden auch“, betont Andra Schmidt. Zusammengefasst lässt sich die Arbeit eines Schulhundes so beschreiben: „Er ist eigentlich wie so eine Art Eisbrecher und für die Motivationssteigerung da. Er kann auch gut die Konzentration steigern.“ Das gibt den Schülern enorm viel: „Das Lernen ist immer mit einem positiven und emotionalen Effekt verbunden durch die Arbeit mit einem Schulhund. Und bei den Kindern werden auch einfach Glückshormone ausgeschüttet durch den Kontakt mit dem Tier.“
Ein weiterer schöner Nebeneffekt: „Ich habe auch viele Kinder, die Selbstwertproblematiken haben. Dann rufen sie das Tier, und das Tier kommt, hört auf sie, nimmt sie wahr. Das steigert immer sehr das Selbstbewusstsein.“
Wie wird man Pädagogin mit Schulhund?
„Auf tiergestützte Therapie bin ich eigentlich direkt nach meinem Abitur gekommen, also 2005. Wie wirken Tiere auf Menschen? Dafür habe ich mich schon immer interessiert“, verrät die Sonderpädagogin über ihren Werdegang. „Meinen allerersten Schulhund hatte ich aktiv 2016 an meiner ersten Schule mit dabei. Der ist jetzt schon in Rente, ein kleiner Papillon.“ Zusammen waren sie damals an der Biesalski-Schule in Berlin, einer Einrichtung für körperlich behinderte Kinder: „Mit meinem Drei-Kilo-Hund wurde ich immer belächelt.“

Pino ist jetzt ihr zweiter Schulhund: „Er hat 2021 seinen Abschluss gemacht“, verrät sein Frauchen stolz. Wie läuft das eigentlich mit der Ausbildung? „Grundsätzlich gibt es keine Richtlinien, das ist auch in jedem Bundesland ein bisschen anders. Leider kann jeder, der Lust und Laune hat, seinen Hund mit in die Schule bringen“, erklärt Andra Schmidt. „Das ist aber keine gute Idee, weil es schon eine enorme Arbeit für die Hunde ist.“ Anders sei das beim Qualitätsnetzwerk Schulbegleithunde e.V. – die Sonderpädagogin ist hier Mitglied.
„Deswegen haben wir als Qualitätsnetzwerk eine Richtlinie erstellt und einen Standard erarbeitet, den ein Schulhund-Team haben sollte. Das umfasst eine mindestens 60-stündige Ausbildung“, erzählt die 35-Jährige.„ Ich habe das bei den Therapie- und Pädagogik-Hunden in Brandenburg an der Havel gemacht. Das ging über ein Jahr, die Ausbildung mit Theorie und Praxis. Man muss auch ein Konzept erstellen, wie der Hund eingesetzt werden soll in der Schule, und muss da auch eine Prüfung ablegen. Wenn man alle Einheiten absolviert hat, bekommt man ein Zertifikat, vom Veterinäramt abgesegnet.“ Erst dann könne man zusammen in die Schule gehen.
Klingt nach einer Menge Arbeit! „Ja, das Schulhund-Leben kostet Zeit und Geld. Das ist nicht einfach nur ‚Ich nehme meinen Hund mit in die Schule und der wird gestreichelt‘. Aber wenn man alles geschafft hat, ist es eine ganz tolle, dankbare Arbeit.“

„Will to please“: So tickt Pino
Pino ist jetzt seit zwei Jahren ein aktiver Schulhund. Was macht ihn gut in seinem Job – wie ist sein Charakter? „Pino ist ja ein Sheltie. Der Sheltie ist ein Hütehund, der ist wirklich sehr gelehrig. Der hat einen großen ‚will to please‘, nennt man das.“ Andra Schmidt wendet ein: „Was man aber berücksichtigen muss: Der Sheltie ist sehr sensibel. Der gilt auch als bellfreudig. Das sollte man bei der Ausbildung wirklich berücksichtigen. So ein Bellen kann bei den Kindern ja Angst auslösen.“

Weiter erklärt die Sonderpädagogin: „Das Sensible ist immer wieder ein Thema beim Setting mit den Kindern. Bevor die Kinder aktiv mit dem Tier arbeiten, bekommen sie eine Stunde, wo wir Hunderegeln erarbeiten. Da üben wir mit einem Plüschhund: Wie gehe ich richtig mit einem Hund um?“
Zum Glück weiß Pino genau, was er tut! „Das Training zum Schulhund wurde so angelegt, dass er auch abgehärtet wurde, dass er vielen Situationen ganz gezielt ausgesetzt wurde. Er hat beispielsweise gelernt, dass es nicht schlimm ist, wenn eine Flasche runterfällt oder ein Buch. Das sind ja so Schulalltagsdinge.“
Könnte auch ein Pitbull Terrier Schulhund werden?

Pino ist natürlich ein sehr niedlicher Vertreter seiner Art. Aber kann theoretisch jeder Hund ein Schulhund werden? Oder sind Rassen, die oft vorverurteilt werden, grundsätzlich ausgeschlossen – wie beispielsweise ein Pitbull Terrier? „Es wird grundsätzlich keine Rasse ausgeschlossen. Es gibt Rassen, die in manchen Bundesländern als sogenannte Kampfhunde zählen, die wunderbare Schulhunde geworden sind. Es gibt auch ganz tolle Tierheimhunde, die Schulhunde geworden sind“, betont Andra Schmidt. „Ob drei Kilo oder 63 Kilo, das spielt auch keine Rolle.“ Wichtig sei vielmehr eine gute Ausbildung und der passende Charakter. ■