Eine Straßenbahn der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) fährt vor dem Fernsehturm über den Alexanderplatz.
Eine Straßenbahn der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) fährt vor dem Fernsehturm über den Alexanderplatz. Foto: dpa/Monika Skolimowska

Der jüngste Tarifabschluss ist nicht einmal anderthalb Jahre alt. Nach drei Warnstreiks und fünf Verhandlungsrunden erreichte die Gewerkschaft Verdi, dass die Löhne und Gehälter bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) um durchschnittlich 17 Prozent steigen. Kalkuliert wurde, dass die jährlichen Personalkosten dadurch um 102 Millionen Euro anwachsen. Jetzt steht dem Landesunternehmen die nächste Tarifrunde ins Haus, und wieder geht es um viel. „Die ersten Verhandlungen stehen am 21. August an“, sagte Verdi-Sekretär Gordon Günther.

Anfang Juli fuhren Verhandlungsführer Jeremy Arndt und seine Mitstreiter zum Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Berlin in die Charlottenburger Goethestraße, um ihre Forderungen zu überbringen. An erster Stelle steht eine Angleichung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Günther erläutert: „Wer 2005 oder später bei der BVG anfing, arbeitet 39 Stunden pro Woche. Wer länger bei der BVG ist, hat eine Wochenarbeitszeit von 36,5 Stunden. Folge ist eine Zweiklassengesellschaft.“

Das Ziel: Angleichung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen

Schon 2019 wurde über das Problem gesprochen. Die Arbeitgeberseite signalisierte die Bereitschaft, die Arbeitszeit stufenweise anzupassen. Doch das Thema wurde vertagt. „Jetzt wollen wir es nicht mehr auf die lange Bank schieben“, so Günther. Laut Verdi sollen alle Beschäftigten der BVG und ihres Tochterunternehmens Berlin Transport 36,5 Stunden pro Woche arbeiten. Die zweite Hauptforderung hatte ebenfalls bei den vorigen Verhandlungen eine Rolle gespielt: Verdi-Mitglieder sollen einen finanziellen Vorteil bekommen – 500 Euro als jährliches Urlaubsgeld.

Für ganz Deutschland wird über bessere Arbeitsbedingungen im Nahverkehr verhandelt. Es geht um 130 kommunale Verkehrsunternehmen, in denen 87.000 Menschen arbeiten und die vor Corona täglich mehr als 13 Millionen Fahrgäste beförderten. „Wir wollen nicht nur alle 16 Tarifverträge neu verhandeln, wir wollen zusätzlich einen bundesweiten Tarifvertrag“, sagte Christine Behle, die stellvertretende Bundesvorsitzende von Verdi. Grund sei, dass sich das Tarifniveau enorm auseinanderentwickelt hat. So schwanke die Zahl der Urlaubstage zwischen 26 bis 30 pro Jahr. In Nordrhein-Westfalen erhält ein Busfahrer im ersten Jahr 2.418,91 Euro brutto pro Monat, in Brandenburg 2166,96 Euro.

Doch es gehe nicht nur um Angleichungen, sondern auch um Verbesserungen, so Behle. „In den vergangenen Jahren gab es einen restriktiven Sparkurs zu Lasten der Beschäftigten“ – der, was nicht gesagt wurde, von Verdi zum Teil in Form von Tarifverträgen mitgetragen wurde. Dabei seien im Fahrdienst die Belastungen ohnehin schon besonders hoch. Eine Dienstschicht könne mit Unterbrechungen bis zu 14 Stunden dauern, die Mindestruhezeit zwischen den Schichten betrage nur zehn Stunden. Damit nicht genug: Bei einer Verdi-Befragung gaben 71 Prozent der Nahverkehrsbeschäftigten an, regelmäßig bis zu 3,1 Stunden pro Woche länger zu arbeiten.

Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, fordert die Gewerkschaft einen bundesweiten Rahmentarifvertrag für alle Verdi-Mitglieder – auch damit die Unternehmen künftig genug Personal finden. So soll es generell 30 Tage Urlaub pro Jahr und weitere Entlastungstage geben, sagte Behle. Überstunden sollen innerhalb von 14 Tagen ausgeglichen werden. Eine jährliche Sonderzahlung in Höhe eines Monatslohns sowie Schichtzulagen für den Fahrdienst sind weitere Forderungen.

Die bundesweite Tarifrunde betrifft auch Berlin. Doch die Forderungen stoßen auf Befremden. „Das umfangreiche Forderungspaket ist haltlos überzogen“, sagte KAV-Geschäftsführerin Claudia Pfeiffer. „Es sprengt jeden Rahmen“, so BVG-Personalvorstand Dirk Schulte. Es sieht so aus, als ob auch die kommende Tarifrunde lange dauern könnte.