Die Notaufnahme ist für medizinische Notfälle da. Doch viele Berliner nutzen die Rettungsstelle auch für kleinere Wehwehchen oder weil sie nicht lange auf eine Facharzttermin warten wollen. Für manche ist die Notaufnahme gleich die erste Anlaufstelle, ohne überhaupt anderweitig ärztliche Hilfe oder sonstige Unterstützung zu suchen. Und das geht auf Kosten der wirklich ernsten Fälle.
„Oft zeigt die Erfahrung, dass die Rettungsstelle von Menschen als Auffangbecken genutzt wird“, sagte der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft Marc Schreiner. Manchen Menschen kämen zum Beispiel, weil eine Rippe nach einer zwei Wochen alten Sportverletzung oder eine OP-Narbe von vor einem halben Jahr immer noch wehtue.
Es komme auch vor, dass einfach nur der Wunsch nach einem Rezept oder einer Spritze für ein Medikament bestehe. Es gebe auch viele akute Sozialfälle, etwa Obdachlose, die neue Kleidung oder Essen bräuchten. „Wir nehmen die empfundenen Leiden unserer Patienten sehr ernst“, betonte Schreiner, aber: „Das sind Bedarfe, die im ambulanten Bereich wunderbar aufgehoben sind, aber nicht in die ambulante Akutversorgung einer Rettungsstelle gehören.“
Eine stichprobenartige Anfrage bei Trägern in Berlin habe ergeben, dass nur etwa ein Drittel der in den Zentralen Notaufnahmen behandelten Patienten stationär aufgenommen werde. Von den übrigen Fällen hätte den Angaben zufolge rund ein weiteres Drittel auch zu einem späteren Zeitpunkt eine niedergelassene Arztpraxis aufsuchen können.
Für die große Zahl von Patienten gibt es zu wenig Personal
„Das Personal kommt kaum hinterher, die Menschen zu versorgen“, sagte Schreiner. „Vorrang in der Rettungsstelle haben die wirklichen Notfälle. So kann es zu langen Wartezeiten kommen, auch bei schmerzhaft empfundenen Behandlungsbedarfen. Das ist natürlich für alle eine unschöne Situation. Wir brauchen dringend eine bessere Patientensteuerung, auch bei der Behandlung durch niedergelassene Ärzte.“
Viele Menschen in Berlin gehen direkt in die Notaufnahme, ohne sich vorher ärztlichen Rat zu holen, wie eine aktuelle Umfrage der AOK Nordost zeigt. Es wurden rund 500 Menschen ab einem Alter von 18 Jahren befragt. Die Umfrage wurde vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt.
Etwas weniger als die Hälfte der Befragten hatte zum Zeitpunkt der Befragung in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal selbstständig eine Notaufnahme aufgesucht. Davon gab jeder Vierte (26 Prozent) an, von einem Arzt in die Notaufnahme geschickt worden zu sein. Nur acht Prozent hatten sich vorher eine Ersteinschätzung über die Tel. 116 117, die Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, geholt. 42 Prozent sagten, dass sie sich akut zu schlecht gefühlt hätten, um abwarten zu können. Es waren Mehrfachantworten möglich.

In lebensbedrohlichen Fällen sollten Patienten den Rettungsdienst unter der 112 alarmieren. Die 116 117 hilft außerhalb der Sprechstundenzeiten bei Erkrankungen, mit denen Patienten sonst in die Praxis gehen würden. In Berlin gibt es mehrere Notdienstpraxen für Erwachsene und Kinder.