Supercoop in Berlin-Wedding ist kein gewöhnlicher Supermarkt – denn der Laden gehört allen, die dort einkaufen. Ein genossenschaftlicher Konsum ist die Antwort auf große Lebensmittelkonzerne und Discounter: Hier entscheiden die Mitglieder selbst, was in die Regale kommt.
Mitglieder entscheiden, was in die Regale kommt
Gleich am Supercoop-Eingang an der Seestraße hängt eine Wunschliste aus. Hier können Mitglieder eintragen, welche Produkte sie gern in den Regalen sähen. Spitzkohl steht da etwa, oder getrocknete Bananen- und Apfelchips werden gewünscht. Meist können die fünf hauptamtlichen Mitarbeiter die Anfragen beim Einkauf erfüllen. Von den Sonderwünschen abgesehen bietet Supercoop auf 700 Quadratmetern Fläche aber ein echtes Vollsortiment an Lebensmitteln an.

Doch anders als in großen Supermarktketten ist die Beziehung zu den lokalen und internationalen Lieferanten viel enger. In der Supercoop weiß man, wo die Lebensmittel produziert werden, die man später auf dem Teller hat. Handverlesen und kuratiert sind die Waren, man kann beim Einkauf davon ausgehen, dass man ökologisch und sozialverträglich shoppt.
Testeinkauf in der Supercoop
Bei einem Testeinkauf stehen Neulinge zwischen den Regalen in dem 700 Quadratmeter großen Markt und staunen. Es gibt eine wirklich große Auswahl an Obst und Gemüse, Brot, Käse – auch aus Frankreich. Daran ist Eugenie nicht ganz unschuldig, sie gehört zu den Gründerinnen der Kooperative und kommt aus Frankreich.
Regionale oder Bio-Produkte sind das Herzstück der Supercoop, auch Bier direkt aus dem Kiez von der Vagabund-Brauerei nebenan kann man kaufen. So manches Produkt wie die Säfte von einer alten Obstplantage im Krams in der Ostprignitz gibt es wohl nur hier. „Rainer und Petra stellen sie her, nachdem sie eine alte Obstplantage reaktiviert haben und nun ökologisch betreiben“, erklärt Johanna Kühner, eine der Gründerinnen der Kooperative.

Viele der Obst- und Gemüselieferungen kommen aus Betrieben der solidarischen Landwirtschaft in Brandenburg. Der Käse wird von den Mitgliedern höchstpersönlich vom Laib geschnitten. Weil alle mit anpacken, können die Waren im Schnitt 15 bis 30 Prozent günstiger als in einem herkömmlichen Biomarkt angeboten werden.
Über 1500 Mitglieder sind bereits dabei, davon übernehmen 900 aktiv Schichten an der Kasse, beim Einpacken und Abholen von Waren. Drei Stunden in vier Wochen schiebt man Dienst im eignen Supermarkt. Ausnahmen für Ältere, Alleinerziehende und besondere Lebenssituationen sind möglich.
Schicht schieben im eigenen Supermarkt
Einer von denen, die heute ihre dreistündige Schicht leisten, ist Markus. Er zeichnet im echten Leben Comics. Seinen Dienst in der Supercoop empfindet er als Bereicherung. „Das macht manchmal sogar mehr Spaß, als am Schreibtisch zu sitzen“, sagt er.
„Am besten gefällt mir, dass man durch die Supercoop für ein paar Stunden aus seiner Blase rauskommt, andere Menschen kennenlernt, die ganz andere Biografien und Erfahrungen haben“, sagt Mitglied Britta, die schon bei der Vorbild-Coop in Brooklyn, New York, Mitglied war und sich freut, dass es so etwas endlich in Berlin gibt.

Hanuta und Co. und Produkte von Großkonzernen wie Nestlé sucht man in dem besonderen Supermarkt vergeblich. „Wir achten darauf, dass die Produkte fair für Mensch und Umwelt hergestellt werden“, sagt Johanna Kühner. Der Einkauf soll aber trotzdem Spaß machen, selbstverständlich gibt es auch Schokolade und Bananen, auch wenn die nicht regional sind. „Wir wollen keinen unrealistischen Anspruch an die Kunden stellen. Man soll hier entspannt seinen Wocheneinkauf erledigen können“, sagt Johanna.
Und entspannt geht es wirklich zu zwischen den Regalen. Weil alle, die hier einkaufen, auch Mitglieder sind, haben sie einen gemeinsamen Nenner. Sie gehen pfleglich mit ihrem Supermarkt um, schließlich sind sie regelmäßig selber dran und sitzen hinter der Kasse, räumen Waren ein oder machen sauber.

Dabei kommen nicht alle Mitglieder aus dem Weddinger Kiez, wie man vermuten könnte. Auch aus weiter entfernten Bezirken reisen sie ein-, zweimal im Monat zu ihren Schichten an und machen dann einen Großeinkauf. Der freundliche Mitarbeiter hinter der Kasse lebt in Prenzlauer Berg. Aber die Überzeugung, mit dem Konsum eine Alternative zu marktbeherrschenden Discountern und Ketten zu fördern, treibt die Mitglieder an.

Supercoop macht es Einkäufern leicht, Strategien gegen Lebensmittelverschwendung zu verinnerlichen. Hinweise auf den Kühlschränken zeigen, welche Produkte bald gekauft werden müssten. Kunden berichten, dass sich das Kaufverhalten ändert, wenn man selbst am Laden beteiligt ist. Anstatt nach Milch zu schauen, die noch möglichst lange haltbar ist, sucht man sich zum Beispiel nun lieber die aus, die bald abgelaufen ist, um nichts zu verschwenden.
Konsum ist mehr als nur ein Supermarkt
Manche der Mitglieder nutzen den Konsum nur zum bewussten Einkaufen, für andere ist der Laden mehr als nur ein Supermarkt. Man kann sich in Arbeitsgruppen engagieren, muss es aber nicht. Täglich soll es ein Mittagsangebot im kleinen Café im Supermarkt geben. Heute hat Björn, der im Alltag Dinner-Abende im Kiez veranstaltet, Tomatensuppe gekocht.

Ein bisschen wie im Tante-Emma-Laden aus alten Zeiten fühlt sich ein Einkauf im Genossenschaftskonsum an, Plausch und Austausch inklusive. „Entschleunigtes Einkaufen“, nennt Johanna Kühner das.
Angebot: Miteigentümer im Supermarkt werden
Jetzt sucht die einzige Supercoop Berlins neue Mitglieder, die ihren eigenen Supermarkt mitgestalten wollen. Vom 22. Mai bis zum 7. Juli 2024 läuft auf Startnext eine neue Crowdfunding-Kampagne. Denn die Genossenschaft braucht weitere 350 Mitglieder, um den Standort in den Osramhöfen nachhaltig zu bewirtschaften und die Schichten zu füllen.
Montag bis Samstag, von 9 bis 20 Uhr hat Supercoop in den ehemaligen Osramhöfen geöffnet und lädt alle zum Testeinkauf ein! An jedem ersten Samstag im Monat ist Tag der offenen Tür, an dem sich meist Lieferanten vorstellen und Kostproben mitbringen.

So funktioniert der Mitmach-Supermarkt
Nach einem Vorbild in New York ist die Supercoop Berlin Ende 2019 mit einem ersten Crowdfunding gestartet. Daraus entstand zuerst eine kleine Einkaufsgemeinschaft. Im Kleinen wurde getestet, denn Erfahrungen im Einzelhandel hatte vom Gründungsteam zu Beginn niemand. Nach großem Umbau ist die Fläche auf 700 Quadratmeter gewachsen, über 4000 Produkte füllen nun die Regale.