Atommüll im Berliner Untergrund? Kling nach einem schlechten Hollywood-Film, könnte aber Wirklichkeit werden. Denn wie Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) kürzlich bestätigte, gehört auch der Berliner Stadtrand zu den Gebieten, die für ein Atommüll-Endlager infrage kommen. Ganze 54 Prozent der Fläche Deutschlands könnten laut der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) derzeit als Standort geeignet sein – und Berlin ist mit dabei.
Schon jetzt sorgen diese Pläne für Sorgenfalten. Immerhin könnte in einigen Jahren radioaktiver Müll direkt unter der Hauptstadt gelagert werden oder zumindest doch in der Nähe. Aber der Geowissenschaftler Michael Kühn vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam gibt sich noch entspannt: Für ihn wäre es kein Problem, über einem Endlager zu leben, solange der Standort sorgfältig nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt wurde, schreibt der „Tagesspiegel“ (Bezahlschranke). Und auch seine Kinder und Enkel müssten sich keine Sorgen machen, betont Kühn.
Was Kühn im „Tagesspiegel“ nicht sagt, ist, dass er als Geowissenschaftler nur eingeschränkt wissen kann, wovon er da redet. Um die Gefahren von Atommüll richtig einzuschätzen, bedarf es eines interdisziplinären Teams aus Kernphysikern, Strahlenschutzexperten, Materialwissenschaftlern und Umweltwissenschaftlern. Auch Ingenieure (vor allem Nuklearingenieure und Bauingenieure) gehören dazu, ebenso Chemiker und Toxikologen. Aber auch Rechts- und Sozialwissenschaftler, Risikoanalytiker und Ethiker. Außerdem Meteorologen und Klimawissenschaftler, um die möglichen Auswirkungen zukünftiger Klimaänderungen auf Lagerstätten zu benennen.
Kein Wunder also, dass es in der Vergangenheit bei der Auswahl von Atommülllagern nicht immer entspannt ablief. Das bekannteste Beispiel ist Gorleben in Niedersachsen. Aber trotz massiver Sicherheitsbedenken begann man vor 40 Jahren, dort Atommüll zwischenzulagern – eine Entscheidung, die der damalige niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) 2020 als „politischen Fehler“ bezeichnete. Um solche Pannen zu vermeiden, hat die Bundesregierung 2017 eine neue, wissenschaftlich fundierte Suche gestartet.
Bei der Endlagersuche spielen drei Gesteinsarten eine Rolle: Ton, Salz und extrem hartes Kristallingestein wie Granit. Der Vorteil: Diese Gesteine sind kaum wasserdurchlässig, ein wichtiges Kriterium, um zu verhindern, dass radioaktive Stoffe entweichen. Und genau deshalb steht Berlin im Fokus.
Atommüll unter Berlin angeblich nicht gefährlich
Unter der Hauptstadt gibt es nämlich dicke Tonschichten, die möglicherweise für die Lagerung des gefährlichen Mülls geeignet sind. Betroffen wären Bezirke wie Reinickendorf, Spandau, Neukölln und Steglitz-Zehlendorf.
Doch selbst wenn die Erde unter Berlin als Endlager geeignet wäre, ist es nach derzeitigem Stand unwahrscheinlich, dass der Standort letztlich ausgewählt wird. Ein Endlager im Ton müsste mindestens neun Quadratkilometer groß sein – und so große Schichten sind unter Berlin eher rar. Aber trotzdem gibt es sie.

Geowissenschaftler Kühn versucht zu beruhigen: Es gebe viele andere Gebiete in Deutschland, die geologisch besser geeignet sein könnten. Bis 2027 wird die BGE das infrage kommende Gebiet von 54 auf ein Prozent reduzieren. Ob Berlin dann noch dabei ist, bleibt abzuwarten.