Erst war von vier Opfern die Rede, später von fünf, dann von acht. Von Woche zu Woche wurden mehr. Der Berliner Palliativarzt Johannes M. könnte als einer der schlimmsten Berliner Serienmörder in die Geschichte eingehen. Am Montag beginnt der Prozess gegen den Arzt, der Leben nicht verlängerte, sondern verkürzte. 395 Todesfälle der letzten Jahre untersuchte die Staatsanwaltschaft, wegen 15-fachen Mordes wird dem 40-Jährigen nun vor dem Landgericht Berlin der Prozess gemacht.
Dem Arzt kamen seine Chefs eher durch einen Zufall auf die Schliche. Durch verdächtige Brände. Um die Tötung der Patienten zu verschleiern, soll Dr. Johannes M. Feuer gelegt haben. Seit August sitzt er in Untersuchungshaft. Der 40-Jährige soll zwischen September 2021 und Juli 2024 zwölf Frauen und drei Männer getötet haben.
57-Jährige wollte noch die Einschulung ihres Enkels erleben
Bei den Taten soll der Arzt immer nach dem gleichen Muster vorgegangen sein. Ohne eine medizinische Notwendigkeit, ohne deren Wissen und Zustimmung, spritzte er seinen Opfern erst ein Narkoseeinleitungsmittel und dann ein Muskelrelaxans. Das lähmte die Atemmuskulatur und führte innerhalb weniger Minuten zu Atemstillstand und Tod.
Dr. Johannes M. soll Menschen getötet haben, die er im Auftrag eines Pflegedienstes palliativ betreute, deren Leid er lindern sollte, die aber trotz schwerer Krankheit leben wollten. Da ist zum Beispiel eine 57-Jährige, die unbedingt noch die Einschulung ihres Enkels erleben wollte, wie das Magazin Spiegel schreibt.
In mindestens fünf Wohnungen legte er der Polizei zufolge Feuer, um seine Taten zu vertuschen. So soll er im Juni 2022 eine 70-jährige Patientin getötet und anschließend ihre Wohnung in Tempelhof angezündet haben. Im Juni 2024 tötete er laut Anklage eine 87-Jährige in ihrer Wohnung in Neukölln und legte dort ebenfalls einen Brand.
Rund einen Monat später versuchte Johannes M. das Gleiche in der Wohnung einer 76-Jährigen in Neukölln, die er zuvor getötet haben soll. Weil das Feuer erlosch, missglückte die Brandstiftung in diesem Fall aber.
Dr. Johannes M. ist verheiratet, Vater eines Sohnes
Nur eine Woche später steckte der Mediziner laut Staatsanwaltschaft die Wohnung einer 94-jährigen Neuköllnerin in Brand, weitere zehn Tage später die einer 72 Jahre alten Patientin in Berlin-Plänterwald. Schließlich schöpfte der Pflegedienst Verdacht: Neun Tage nach der Anzeige seiner Chefin wurde Dr. M. am Flughafen BER festgenommen – er landete gerade aus dem Urlaub kommend in Berlin.
Kollegen beschreiben Johannes M. als freundlichen, engagierten und fachlich kompetenten Arzt. Höflich und sympathisch, die Patienten mochten ihn. Aufgewachsen in Mülheim, Medizinstudium in Frankfurt/Main, zwei Facharztausbildungen. Verheiratet, Vater eines Sohnes.
Laut Anklage sieht die Staatsanwaltschaft Anzeichen dafür, dass ihn das Töten von Menschen schon während seiner Ausbildung faszinierte. Seine Doktorarbeit beginnt mit den Worten: „Warum töten Menschen?“, berichtet der Spiegel. Dies sei die „Grundfrage“ seiner Dissertation, erklärte M. damals.

Ursprünglich wurde gegen Dr. M. wegen Totschlags und Brandstiftung ermittelt. Die Anklage erfolgte schließlich wegen 15-fachen Mordes. Der Beschuldigte habe „kein über die Tötung der Personen hinausgehendes Motiv gehabt“, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Das Fehlen eines Tatanlasses erfülle das Mordmerkmal der Mordlust.
Eine eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe untersuchte laut Anklagebehörde insgesamt 395 sogenannte Prüffälle. 15 mutmaßliche Opfer wurden im Zuge der Ermittlungen bislang exhumiert. In 96 Fällen ergab sich laut Staatsanwaltschaft ein Anfangsverdacht.
Wenige Tage vor Prozessbeginn wurde bekannt, dass zu diesen Verdachtsfällen auch die mögliche Tötung der Schwiegermutter des Angeklagten durch den 40-Jährigen zählt. Die Schwiegermutter lebte in Polen und litt an Krebs. Während eines Besuchs des Angeklagten mit seiner Ehefrau bei ihr sei sie gestorben.
Die Opfer der nun angeklagten Taten waren zwischen 25 und 94 Jahre alt und wurden alle von dem Kreuzberger Pflegedienst betreut, bei dem der Angeklagte arbeitete. Sie lebten in Tempelhof, Neukölln, Britz, Schöneberg, Köpenick, Gropiusstadt, Kreuzberg und Plänterwald (afp).