Berlin, Leopoldplatz. Wer sich das Treiben hier anschaut und mit Anwohnern und Ladenbesitzern spricht, den überkommt das kalte Grauen. Berlins Crack-Hotspot rund um die Alte Nazarethkirche zeigt die harten Kontraste der Großstadt: die einen konsumieren Crack und Heroin, nebenan auf dem Spielplatz spielen Kinder.
Bei einem Besuch vor Ort erzählt eine Mutter Reportern der B.Z. aus dem Alltag am Leo: „Die spritzen sich hier auch vor den Kindern. Ständig hört man Geschrei und es gibt Prügeleien.“ Einmal habe sie sich eingemischt, als jemand fast zu Tode getreten wurde. Da habe die Polizei gesagt: Zivilcourage schön und gut, aber nicht mehr hier! Das ist zu gefährlich.
Offener Crack-Konsum auf dem Platz
Am Leopoldplatz steht ein Container für die Süchtigen, hier bekommen sie Utensilien für den sicheren Konsum. Und der findet in der Regel vor aller Augen statt. Hier am Leo verbirgt keiner sein Elend. Stetig sorgen tschetschenische Dealer für Nachschub. Dreimal am Tag kommt die Lieferung. „Dann ist hier richtig Bambule“, sagt ein Zivilpolizist gegenüber B.Z. Der Stoff wird in der U9 oder in den Pissoirs am Platz vertickt.

Seit dem vergangenen Sommer, dem Höhepunkt der Verelendung und mit 200 Süchtigen auf dem Platz, leben die Geschäftsinhaber und Anwohner in Angst und Verzweiflung über die Situation vor Ort. Ein Krisengipfel wurde einberufen, um für Entlastung zu sorgen. Auch wenn die Polizei vor Ort durch Streifen und mit einer mobilen Wache Präsenz zeigt, hat sich bisher nur wenig verbessert.
Laden-Besitzer berichten weiter von Einbrüchen: Beschaffungskriminalität für den nächsten kurzen Rausch. Jeden Tag mehr als ein Gewaltdelikt, meist unter den Junkies, die auf Crack aggressiv werden. Allein 2023 waren es 484 Vorfälle.
So will der Bezirk den Leopoldplatz in den Griff kriegen
Der Bezirk steuerte bisher mit Beleuchtung, Sichtschutz und dem Fixpunkt entgegen. In Kürze sollen weitere Maßnahmen greifen. Endlich sind die Gelder dafür freigegeben.
„Nachdem der Senat die beim Sicherheitsgipfel beschlossenen Finanzmittel für 2024 jetzt frei gegeben hat, beginnen die Mitarbeitenden des Bezirksamts Mitte ab sofort mit der schrittweisen Umsetzung“, teilt Mittes Bürgermeisterin Stefanie Remmlinger mit.

Besonders auf soziale Aspekte wird gesetzt, um die Szene nicht einfach nur an einen anderen Ort zu vertreiben. Aufsuchende Sozialarbeit, personalbesetzte Toiletten – eine extra für die Drogensüchtigen, Bauwagen als Informationspunkte, reparierende Kiezhausmeister, die Spielplätzte regelmäßiger kontrollieren und von Drogenkonsumresten befreien und für Ordnung sorgende Parkläufer sind einige Maßnahmen, die die Situation am Leopoldplatz verbessern sollen.
Sozialarbeiter sollen Crack-Junkies betreuen
Zwei aufsuchende Sozialarbeiter, die allerdings erst noch gefunden werden müssen, sollen sich zudem um die komplexen Probleme der Süchtigen und Obdachlosen vor Ort kümmern. Dazu wird ein leerstehender Laden in der Müllerstraße 146 als Kontaktstelle eingerichtet.
„Die Klientel auf dem Leopoldplatz ist durch komplexe Problemlagen gekennzeichnet. Die Betroffenen leiden oft an Suchterkrankungen sowie psychischen Einschränkungen, und es fehlen Ressourcen wie beispielsweise Krankheitseinsicht, Motivation, Wohnfähigkeit, Sprach[1]und Selbstkompetenzen. Die rechtliche Stellung (Status und Aufenthalt) sowie die formale Zuständigkeit sind oftmals nicht klar, sodass mögliche Leistungsansprüche nicht realisiert werden können.“, heißt es in dem Konzeptpapier des Bezirks.
Dass man hier einen langen Atem braucht, um dem Problemplatz Leo ein neues, freundlicheres Gesicht zu geben, liegt auf der Hand.
Einen Anfang machen zusätzliche Kulturangebote am Leo, die aus dem Angstraum wieder einen Raum der Begegnung machen sollen. Die Anwohner sollen sich an der Programmgestaltung beteiligen und ihre Wünsche einbringen.
Über die vielfältigen Aktivitäten und Neuigkeiten auf dem Leopoldplatz soll es einen monatlichen Programmkalender und einen regelmäßig erscheinenden Newsletter geben. ■