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Kosten-Explosion! Pflegebedürftige müssen tiefer in die Tasche greifen

Fast 3000 Euro müssen Pflegeheimbewohner in Berlin aus eigener Tasche bezahlen, knapp 340 Euro mehr als im Vorjahr. Bundesweit sind die Kosten stark gestiegen.

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Die Kosten für den Eigenteil sind für Pflegeheimbewohner deutlich gestiegen.
Die Kosten für den Eigenteil sind für Pflegeheimbewohner deutlich gestiegen.epd

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen für einen Heimplatz erneut tiefer in die Tasche greifen. Die Kosten für den Eigenanteil schießen in die Höhe. Das zeigt eine der Nachrichtenagentur dpa vorliegende Auswertung des Ersatzkassenverbands. Hier die Zahlen für Berlin und Brandenburg und der Vergleich mit den selbst zu zahlenden Anteilen für Pflegebedürftige bundesweit.

Für Pflegebedürftige in Berlin und Brandenburg ist ein Heimplatz erneut um mehrere hundert Euro teurer geworden. In Berlin müssen die Bewohner für das erste Jahr des Aufenthalts seit Beginn dieses Jahres im Schnitt 2975 Euro aus eigener Tasche zahlen. Das sind knapp 340 Euro mehr als im Vorjahr, wie eine Auswertung des Ersatzkassenverbands (VDEK) zeigt.

In Brandenburg sind demnach für das erste Aufenthaltsjahr seit Januar rund 2680 Euro fällig. Das sind 325 Euro mehr als im Januar 2024.

Der zu zahlende Eigenanteil sinkt nach längerer Aufenthaltsdauer, da die Pflegeversicherung im Laufe der Zeit höhere Zuschüsse zahlt. In Berlin zahlen Pflegebedürftige nach einem Jahr rund 2670 Euro (2024: rund 2380), in Brandenburg rund 2420 Euro (2024: rund 2.140).

Deutschlandweit unterscheiden sich die Beiträge um teils mehrere hundert Euro. Am meisten zahlen Pflegebedürftige in Bremen (rund 3460 Euro), am wenigsten in Sachsen-Anhalt (rund 2440 Euro). Im bundesweiten Durchschnitt liegt der Eigenanteil für das erste Jahr bei rund 2980 Euro und ist damit innerhalb eines Jahres um fast 300 Euro gestiegen.

Die Kosten im Pflegeheim werden nur bis zu einer bestimmten Höhe von der Pflegekasse übernommen. Den Rest müssen die Pflegebedürftigen aus eigener Tasche zahlen. Die Eigenbeteiligung setzt sich laut VDEK aus dem sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) für die Pflegekosten – vor allem Pflegepersonalkosten –, Investitionskosten und Kosten für Unterkunft und Verpflegung zusammen.

Übersicht über die Eigenanteil-Pflegekosten in Deutschland

Durchschnittswerte Stand Januar 2025
Durchschnittswerte Stand Januar 2025dpa-infografik GmbH

Ersatzkassen-Verband sieht „ständigen Aufwärtstrend“

Der Verband der Ersatzkassen (vdek), zu dem etwa die Techniker Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit gehören, spricht von einem „ständigen Aufwärtstrend“. Weder von der Pflegekasse gezahlte Zuschläge noch eine Erhöhung der Pflegeleistungen zu Jahresbeginn hätten diesen abbremsen können.

Zum 1. Januar sind die Pflegeleistungen um 4,5 Prozent gestiegen. So sind etwa die sogenannten Pflegesachleistungen, also die Gelder für professionelle häusliche Hilfe für Pflege, Betreuung und Haushaltsdienste in häuslicher Umgebung, beim höchsten Pflegegrad 5 von 2200 auf 2299 Euro gestiegen. Der Betrag für vollstationäre Pflege stieg bei Grad 5 von 2.005 auf 2096 Euro.

Auch Pflegeversicherung wurde teurer

Auch der Beitragssatz der Pflegeversicherung ist zum Jahreswechsel angehoben worden, um 0,2 Prozentpunkte. Der Beitragssatz reicht von 2,6 Prozent für Menschen mit fünf Kindern oder mehr bis zu 4,2 Prozent für jemanden ohne Kinder. Für ein Kassenmitglied mit einem Kind liegt er bei 3,6 Prozent.

Belastungen der Menschen „zu hoch“

Gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl forderte die vdek-Vorsitzende Ulrike Elsner die konkurrierenden Parteien zum Worthalten auf. Wer dann regiere, müsse die Pflege verlässlich und bezahlbar halten. Die Belastungen der Menschen seien „zu hoch“, die Eigenbeteiligung gehöre klar begrenzt.

Dazu forderte Elsner die Länder unter anderem zur vollen Finanzierung von Bau und Instandhaltung der Heime auf. Scharf kritisierte die Verbandschefin die Praxis, die Kosten auf die Pflegebedürftigen umzulegen. Die Länder hätten für diesen Bereich 2022 nur 876 Millionen Euro gezahlt, die Pflegebedürftigen rund 4,4 Milliarden Euro. Allein eine Kostenübernahme dieser Posten durch die Länder würde die Pflegebedürftigen nach vdek-Berechnung um im Schnitt 498 Euro im Monat entlasten. Generell müssten aber die Leistungsbeträge jährlich dynamisiert und an volkswirtschaftlichen Kenngrößen ausgerichtet werden.

800.000 Menschen werden in Heimen gepflegt

Seit Jahren fordern Expertinnen und Experten weitere Reformen im Pflegesystem. Hintergrund ist die steigende Zahl der Pflegebedürftigen. So waren im Dezember 2023 in Deutschland knapp 5,7 Millionen Menschen pflegebedürftig – nach knapp 5,0 Millionen im Dezember 2021.

Der starke Anstieg lag laut Statistischem Bundesamt unter anderem an nachlaufenden Auswirkungen einer Reform von 2017. Seither werden Menschen eher als pflegebedürftig eingestuft als zuvor, etwa Demenzkranke. Knapp neun von zehn Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Die Zahl der in Heimen vollstationär versorgten Pflegebedürftigen stieg von Dezember 2021 bis 2023 leicht um 6000 auf knapp 800.000.

Pflegereform lässt auf sich warten

Eine größere Pflegereform schaffte die Ampel-Koalition vor ihrem vorzeitigen Ende nicht mehr. Bei der Verabschiedung der seit Jahresbeginn geltenden Anpassungen im Bundestag malte Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein durchwachsenes Bild. Effizienzreserven habe die Pflegeversicherung nicht. „Es ist richtig, dass es in der Pflegeversicherung Reformbedarf gibt“, so Lauterbach vergangenes Jahr. Damals kündigte der SPD-Politiker noch eine weitergehende Pflegereform an: „In einem Jahr werden wir die Basis der Finanzierung der Pflegeversicherung verbreitern.“ Daraus wurde nichts.

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