In Berliner Apotheken werden Kinder-Medikamente knapp
Vom Engpass sind auch wichtige Präparate für Erwachsene betroffen. Apotheker müssen mit großem Aufwand Ersatzmittel beschaffen.

Husten, Schnupfen, Fieber – wer jetzt in Berlin ein krankes Kind hat, steht vor einem Problem. Aufgrund von Lieferengpässen sind beispielsweise Säfte, die hohe Temperaturen senken oder Husten blocken sollen, in den Apotheken der Hauptstadt schwer zu bekommen. Aber auch bei Arzneimitteln für Erwachsene herrscht Mangel in den Regalen, warnt der Berliner Apotheker-Verein, in dem 640 Apotheker Mitglied sind.
Nach Vereinsangaben hat sich seit Weihnachten die Situation kaum beruhigt. „Die Engpässe ziehen sich durch das gesamte Sortiment“, sagt Vorstandsvorsitzende Anke Rüdinger. Die Apothekerin erklärt, dass neben Kinder-Medikamenten auch Blutdruck- und Cholesterinsenker von den Engpässen betroffen sind.
Besonders knapp sind gerade Antibiotika-Säfte für Kinder. Der Grund: Viele Berliner Mädchen und Jungen haben derzeit Scharlach. Zwar komme bei mangelnder Ware immer wieder Nachschub: „Wir können aber nie sagen, wann das sein wird“, sagt Rüdinger, die eine Apotheke in Lichtenberg führt. Dramatische Versorgungsengpässe gebe es bisher noch nicht.
„Wir finden immer noch in den allermeisten Fällen Lösungen für die Patienten“, sagt Rüdinger. Die Apotheker müssten eben „zaubern“. Ist der Paracetamol-Saft aus, nehme man dann beispielsweise einen Ibuprofen-Saft. „Hauptsache, das fiebernde Kind bekommt einen fiebersenkenden Saft“, so die Apothekerin.

Fiebersäfte für Kinder knapp: Berliner Apotheker müssen „zaubern“
Der Alarmruf der Berliner Apotheker: Die Engpasslage vor allem bei Fiebersäften für Kinder ist dem Bundesgesundheitsministerium schon seit Monaten bekannt. Die vorliegenden Daten bestätigen, dass die verfügbaren Bestände und Produktionsplanungen der Pharmaunternehmen zwar dem Bedarf vor Corona-Zeiten entsprechen, „der aktuellen Nachfrage allerdings nicht gerecht werden können“, heißt es.
Laut dem Ministerium hat sich zwar die Situation bei Kinder-Fiebersäften derzeit „moderat entspannt“. Aber die Ersatzpräparate, die Apotheker mit großem Aufwand beschaffen, seien nicht immer die Mittel, auf die die Patienten eingestellt sind und die sie am besten vertragen.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärt, dass es aktuell bei 467 Medikamenten Lieferengpässe gibt. Die Zahl sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Mangel herrscht dabei auch bei Präparaten zur Behandlung von Krebserkrankungen. Der Interessenverband Pro Generika nennt auch Herz-Kreislauf-Medikamente, Schmerzmittel und Antidepressiva, die immer wieder knapp würden.
Kinder-Fiebersäfte sind knapp: Das sind die Gründe für die Lieferengpässe
Die Gründe für die Lieferengpässe: Um die hohen Produktionskosten zu senken, lassen Unternehmen patentfreie Medikamente in China oder in Indien herstellen. Fällt dort krankheitsbedingt Personal aus (wie in der Pandemiezeit schon geschehen) oder kommt es zu technischen Produktionsausfällen, führt dies zu Lieferengpässen. Dazu kommt, dass in den Werken oft nur einige Arzneimittel über Wochen hergestellt werden, was auch zu Lieferproblemen führt, wenn plötzlich die Nachfrage etwa bei Fiebersäften steigt, die Produktion dafür aber gerade ruht.
Grund für die Auslagerung der Produktion in kostengünstigere Werke im Ausland ist auch das deutsche Gesundheitssystem. Um mehrere Milliarden Euro jährlich zu sparen, sind darin Vorgaben verankert, die festlegen, dass die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente zu begrenzen sind.
Seit 20 Jahren gibt es dazu die Regelung, dass Krankenkassen Rabattvereinbarungen über Arzneimittel mit Pharmaunternehmen abschließen. Wer also sein Medikament am günstigsten anbietet, erhält den Zuschlag. Apotheker sind verpflichtet, gegen ein eingereichtes Rezept genau das wirkstoffgleiche Präparat herauszugeben, für das die Krankenkasse des Patienten einen Rabattvertrag abgeschlossen hat.
Um Engpässe bei wichtigen Präparaten zu vermeiden, hat das Bundeskabinett vergangene Woche einen Gesetzentwurf für eine stärkere Absicherung von Medikamentenlieferungen beschlossen. Darin sind unter anderem neue Preisregeln vorgesehen, die Lieferungen nach Deutschland für Hersteller attraktiver machen sollen.